Zweite Gruft unter dem Königspalast von Qatna (Syrien) gefunden

Syrisch-Tübinger Ausgrabungsteam entdeckt bronzezeitliche Bestattungen mit spektakulären Objekten.

Die Grabkammer war vom Königspalast aus zugänglich und wurde zwischen 1600 und 1400 v. Chr. genutzt. Wer darin bestattet wurde, ist noch unklar, da keine Inschriften vorhanden sind.

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Gut erhaltener Schädel in der neu entdeckten südlichen Kammer
Gut erhaltener Schädel in der neu entdeckten südlichen Kammer

Die Ausgrabungen im Königspalast von Qatna in Mittelsyrien haben während der Ausgrabungskampagne des Sommers 2009, die am 25. September zu Ende geht, erneut eine spektakuläre Entdeckung ans Tageslicht gebracht. Unter dem Palast fand sich eine Felsgruft, die unberaubt ist. Ein umfangreiches Grabinventar mit Hunderten von Funden und Knochen hat sich darin erhalten. Diese datieren in die Zeit zwischen 1600 und 1400 vor Christus.

Die Neuentdeckung stellt eine überraschende zweite Gruft unter dem Palast von Qatna dar, nachdem im Jahr 2002 bereits eine von den zentralen Palasträumen aus zugängliche Königsgruft aufgedeckt worden war. Die Entdeckung gelang dem deutsch-syrischen Ausgrabungsteam unter der gemeinsamen Leitung von Dr. Michel al-Maqdissi von der Antikendirektion Syriens und Prof. Dr. Peter Pfälzner von der Universität Tübingen. Die Grabungsleitung vor Ort liegt in den Händen von Heike Dohmann-Pfälzner von der Universität Tübingen. Die Arbeiten des Tübinger Teams, das am Institut für die Kulturen des Alten Orients (IANES) der Universität beheimatet ist, werden seit elf Jahren in Kooperation mit der syrischen Antikendirektion durchgeführt.

Die neue Entdeckung gelang den Archäologen bei der Freilegung des Nordwestflügels des Palastes. Dort ist unter dem Niveau des Erdgeschosses ein Hanggeschoss erhalten, dessen Mauern noch nahezu vollständig anstehen. Unter dem Fußboden eines dieser Räume öffnete sich eine Kammer, deren Holzdecke eingestürzt war. Sie erwies sich als Vorkammer der Gruft. Eine Felstür führt von hier aus in eine geräumige Grabkammer im Fels. Sie ist 4,90 mal 6,30 Meter groß und wird durch eine aus dem Fels ausgesparte Trennwand in zwei Kammerhälften unterteilt. Die Gruftanlage gehört architektonisch zum Königspalast und war von diesem aus erreichbar. Ihre Benutzung lässt sich bis in die Spätphase des Palastes um 1400 vor Christus nachweisen.

Im Inneren der Felsgruft fand sich eine unübersehbar große Menge menschlicher Knochen. 30 bisher entdeckte Schädel deuten auf mindestens dieselbe Zahl von Bestatteten. Auffälligerweise liegen die Knochen nicht im anatomischen Verband sondern sind zu Gruppen aufgeschichtet. Holzreste weisen darauf hin, dass einige von ihnen in Kisten abgelegt wurden. Folglich handelt es sich in dem meisten Fällen um Sekundärbestattungen. Ob der ursprüngliche Bestattungsort an derselben Stelle lag, lässt sich noch nicht entscheiden. Die Anzahl der Knochen ist immens und übertrifft die Menge der Knochen aus der 2002 gefunden Königsgruft um ein Mehrfaches. Zudem ist der Erhaltungszustand der Knochen verhältnismäßig gut. Ihre aufwändige Untersuchung wird vor Ort durch die Anthropologen Dr. Carsten Witzel und Dr. Stefan Flohr von der Universität Hildesheim durchgeführt.

Neben zahlreichen Keramikgefäßen fanden sich in der Kammer mehrere Gefäße aus Granit. Es handelt sich um ägyptische Importe, die 1000 Jahre früher als das Grab in der Zeit des Alten Reichs Ägyptens hergestellt wurden. Daneben entdeckten die Archäologen auch Alabastergefäße in großer Menge, die ebenfalls aus Ägypten stammen dürften. In eines von ihnen war eine Ausstattung von Goldschmuck hineingesteckt worden, bestehend aus Ringen, Rosetten und Goldblechen. An anderen Stellen der Gruft fanden sich dünne, punzierte Goldbleche. Sie könnten Gewänder oder Möbelstücke dekoriert haben. Unter den Bronzegegenständen sind eine schwere Lanzenspitze und eine große Gewandnadel besonders zu erwähnen. Eine andere, sehr dünne, fein gearbeitete Gewandnadel besteht aus Gold. Ein Rollsiegel aus Lapislazuli sowie ein Siegel in Form eines Skarabäus ergänzen das Inventar. Besonders hübsch ist eine kleine Steinskulptur eines Affen, der ein Schminkgefäß in den Händen hält. Kunstgeschichtlich von großer Bedeutung ist eine menschliche Figurine aus Elfenbein mit einem sehr fein geschnittenen Gesicht.

Weitere Forschungen sollen nun die Frage klären, wer in dieser Grabkammer unter dem Königspalast bestattet wurde. Dies ist schwer zu beantworten, weil Inschriften fehlen. Möglicherweise handelte es sich um Angehörige der königlichen Familie oder um Mitglieder des Hofstaates von Qatna. Ebenso vorstellbar ist es aber auch, dass es ältere königliche Bestattungen sind, die zu einem späteren Zeitpunkt in diese Gruft umgebettet wurden.
Qatna war in der Mittleren und Späten Bronzezeit eines der bedeutendsten Königtümer Syriens. In seiner Blütezeit zwischen 1800 und 1600 vor Christus gehörte es zu den mächtigsten Staaten des Orients. Das Königtum existierte kontinuierlich bis zu seiner Zerstörung um 1340 v. Chr. durch die Hethiter. Die neue Entdeckung liefert zahlreiche bedeutende Erkenntnisse über den Totenkult im Königtum von Qatna, über die hohe künstlerische Blüte des Königshofes sowie über dessen vielfältige Beziehungen zu den anderen Großmächten des Alten Orients vor 3500 Jahren.

 

In Kürze wird das Königtum von Qatna in Deutschland durch eine Ausstellung präsentiert. „Schätze des Alten Syrien – Die Entdeckung von Königreichs Qatna" wird vom 17. Oktober 2009 bis 14. März 2010 im Landesmuseum Württemberg in Stuttgart gezeigt.

Zum Qatna-Projekt gibt es auch eine eigene Homepage, die unter www.qatna.de erreichbar ist. Diese Seite befindet sich allerdings gegenwärtig "in Überarbeitung" und zeigt derzeit nur einen Goldfund auf schwarzem Hintergrund.

Steingefäße und Keramikschalen
Steingefäße und Keramikschalen
Goldschmuck in einem Alabastergefäß
Goldschmuck in einem Alabastergefäß
Schminkgefäß mit Skulptur eines Äffchens
Schminkgefäß mit Skulptur eines Äffchens
Der Grabungsbereich des Königspalastes von Qatna, Zustand 2009
Der Grabungsbereich des Königspalastes von Qatna, Zustand 2009 (Alle Bilder © Wita/Pfälzner, Universität Tübingen)