Das Demotische nannte der berühmte Ägyptologe Hermann Grapow (1885–1967) "von allen bösen ägyptischen Schriftarten die böseste". Sein Schüler Erich Lüddeckens (1913–2004) hat sich davon nicht abschrecken lassen und begründete im Jahr 1964, als die Universität Würzburg einen Lehrstuhl für Ägyptologie einrichtete und ihn zum Professor berief, hier eine bis heute anhaltende Tradition für Demotistik.
Die Demotistik ist ein Teilgebiet der Ägyptologie, das sich mit der Entzifferung und Edierung von demotischen Texten befasst. Demotisch war eine Schreibschrift für den täglichen Gebrauch, die ab etwa 650 vor Christus über Umwege aus dem Hieroglyphischen entstand. Sie wurde rund tausend Jahre lang in einer historisch spannenden Zeit verwendet: Damals kam in Ägypten verstärkt die einheimische Kultur unter anderem mit der persischen, griechischen und römischen in Berührung.
50 Jahre Ägyptologie und Demotistik in Würzburg: Zu diesem Jubiläum hat der Lehrstuhl die 12. Internationale Konferenz für demotische Studien nach Würzburg geholt. Die Konferenz findet vom 31. August bis 4. September im Toscanasaal der Residenz statt. Sie bringt rund 70 Teilnehmer aus zehn Ländern von fünf Kontinenten zusammen.
Unter den Teilnehmern ist auch ein ehemaliger Mitarbeiter der Würzburger Ägyptologie: Professor Richard Jasnow von der Johns Hopkins University Baltimore. Er war hier von 1986 bis 1989 als wissenschaftlicher Assistent tätig. Nun hält er am Montag, 1. September um 18:00 Uhr, den öffentlichen Festvortrag zur Eröffnung des Kongresses. Im Titel seines Vortrags greift er Grapows Verdikt über das Demotische auf und bricht es ironisch. Denn Demotisten sind nicht vom Reich des Bösen, sondern vom Schwierigen geheimnisvoll angezogen: "Why We Do Demotic! The Mysterious Attraction of that 'Most Evil of all Evil Egyptian Scripts'".
Auf den 1964 berufenen Institutsgründer Erich Lüddeckens folgte 1981 Karl-Theodor Zauzich, der den demotistischen Schwerpunkt seines Vorgängers fortsetzte. Schon vier Jahre davor, damals noch als Mitarbeiter am Ägyptischen Museum in Berlin, hatte Zauzich Ägyptologen zu einer Tagung nach Berlin eingeladen und damit die Tradition der alle drei Jahre tagenden internationalen Demotistenkonferenzen begründet.
Das zweite wichtige Forschungsgebiet in Würzburg ist die Ptolemaistik, also die Erforschung der ägyptischen Tempel aus der ptolemäisch-römischen Zeit (etwa 300 vor bis 300 nach Christus). Etabliert wurde dieses Gebiet von Horst Beinlich, der von 1984 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 2013 Professor in Würzburg war. Im Mittelpunkt der Forschung steht die Untersuchung der Ritualszenen und der schwierigen hieroglyphischen Inschriften dieser Tempel.
Nach der Pensionierung Karl-Theodor Zauzichs 2004 blieb der Lehrstuhl einige Jahre vakant, bis schließlich Martin Andreas Stadler am 1. November 2011 eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierte Heisenberg-Professur für altägyptische Kulturgeschichte in ptolemäisch-römischer Zeit einwarb und damit zum Lehrstuhlinhaber berufen wurde.
Er setzt die von seinen Vorgängern etablierten Traditionen fort, bringt aber auch neue Akzente ein. So richtet er seine Aufmerksamkeit noch stärker auf die kulturellen und religiösen Traditionen im Ägypten der ptolemäisch-römischen Zeit. Stadler erforscht noch unbekannte demotische Papyri insbesondere aus Dimê im Fayum, wo im 19. Jahrhundert mit die meisten Papyri aus Ägypten überhaupt gefunden wurden.
Die promovierte wissenschaftliche Mitarbeiterin Eva Lange ist seit 2012 am Würzburger Lehrstuhl tätig. Sie leitet eine Grabung in Bubastis, einem Hauptkultort der Göttin Bastet, die häufig als Katze dargestellt wird, und eine Stadt, die in der altägyptischen Geschichte fast 4000 Jahre lang von überregionaler Bedeutung war. Damit ist an der Universität Würzburg die feldarchäologische Ägypten-Forschung prominenter als bisher vertreten.