Solche Entdeckungen sind an der Nordseeküste keine Seltenheit. Aufgrund starker Westwinde und der historischen Seehandelsrouten strandeten oder sanken über die Jahrhunderte zahlreiche Schiffe vor der Küste. Bereits 2016 wurde bei der Hörnum Odde ein Wrack freigespült, und wenig später kamen auf dem Süderoogsand drei weitere Wracks zum Vorschein. Auch die Überreste der "Ulpiano", die 1817 vor der Küste sank, sind hinreichend bekannt. Diese Funde zeugen von den gefährlichen Umständen der Seefahrt und den oft tragischen Schicksalen, die sich vor der nordfriesischen Küste abspielten. Heute sind die Wracks wertvolle archäologische Zeugnisse, die sorgfältig dokumentiert werden müssen.
Um das neu gefundene Wrack fachgerecht zu untersuchen, reisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Archäologischen Landesamtes am 20. Januar 2025 auf die Insel, um es zu dokumentieren. Leider zeigte sich die Nordsee unberechenbar: Bereits zwei Tage nach der Entdeckung war das Wrack vollständig unter Sand begraben, und die erneute Suche blieb erfolglos. Aufgrund der Gezeitenbedingungen musste ein geeignetes Zeitfenster abgewartet werden, um die Arbeiten durchführen zu können. Die Dokumentation der Fundstelle sowie die Entnahme von Holzproben verzögern sich daher. Anhand der auf den gemeldeten Fotos zu sehenden Kupferbolzen in der Schiffskonstruktion kann aber schon darauf geschlossen werden, dass das Wrack von einem hölzernen Segelschiff des 19. bis 20. Jahrhunderts stammt.
Der kürzlich gemeldete Wrackfund vor Rantum reiht sich in eine bemerkenswerte Serie von Entdeckungen im Nordfriesischen Wattenmeer ein. In den letzten Jahren wurden dort vermehrt Wracks entdeckt, die von längst vergangenen Zeiten zeugen:
- Oktober 2016 - Hörnum Odde Wrack (um/nach 1690)
- Februar 2017 - Japsand Wrack (um/nach 1609)
- Februar/März 2022 - Süderoogsand Wracks (Wrack 1 um/nach 1733; Wrack 2 undatiert; Wrack 3 um/nach 1904)
Diese Funde werfen die Frage auf, ob sie Indizien für tiefgreifende Veränderungen in der Küstenlandschaft sind. Stehen sie in Zusammenhang mit zunehmender Küstenerosion durch den Klimawandel oder sind sie Ausdruck eines gestiegenen öffentlichen Interesses und eines neuen Bewusstseins für die Bedeutung solcher Relikte? Wahrscheinlich spielen beide Faktoren eine Rolle.
Die Geschichte der Strandungen im Nordfriesischen Wattenmeer ist gut dokumentiert. Für den Zeitraum vom 17. Jahrhundert bis ins frühe 20. Jahrhundert liegen hunderte Strandungsberichte vor, die vermehrt von den Außensänden Japsand, Norderoogsand und Süderoogsand berichten. Im Zeitalter der Segelschifffahrt stellten die auflandigen Winde der Nordsee für Schiffe eine tödliche Gefahr dar. Ohne natürliche Häfen oder geschützte Ankerplätze waren die Kapitäne gezwungen, in der offenen Brandungszone zu ankern – ein oft aussichtsloses Unterfangen. Eine seltene Ausnahme bildete der Königshafen bei List auf Sylt. Doch selbst dort konnte nicht jeder Schiffbruch verhindert werden: So strandete 1752 das niederländische Handelsschiff AMSTELLAND trotz der Nähe zur vermeintlich sicheren Bucht. Das Unglück hinterließ bleibende Spuren, bis heute trägt eine Landspitze den Namen "Ostindienfahrerhuk".
Die gefährliche Küstentopografie zwang Handelsschiffe, die Region zu meiden – ein Vorhaben, das vor allem bei starken Westwinden oft scheiterte. Die nordfriesischen Außensände wurden zur Todesfalle, und Strandungen waren so häufig, dass sie einen ganzen Wirtschaftszweig begründeten. Die Bergung von Strandgut und die Rettung Schiffbrüchiger gehörten zum Alltag der Küstenbewohner, und der Deichgraf war im Auftrag des Herzogs für die Organisation dieser Einsätze verantwortlich.
Die jüngsten Funde rücken nun erneut die reiche maritime Geschichte des Nordfriesischen Wattenmeeres in den Fokus. Ob sie eine Folge des Klimawandels oder eines erhöhten Bewusstseins sind, bleibt eine spannende Frage für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie für die interessierte Bevölkerung gleichermaßen.