„Schon in der Steinzeit bot der Bodensee beste Wohnlagen. Zahlreiche Pfahlbausiedlungen standen vom 4. bis 1. Jahrtausend v. Chr. an seinen Ufern", sagte Schmalzl. „Besonders wichtige Siedlungen lagen in der Pfahlbaubucht von Sipplingen. Viele Fundstücke verdanken wir der guten konservierenden Eigenschaft des Wassers. Sie stellen eine einzigartige Quelle der frühbäuerlichen Geschichte und Zivilisation in Europa dar." Unter Wasser und im Schlamm eingesunken und somit unter Sauerstoffabschluss konservierten sich ihre Reste in herausragender Weise bis heute an vielen Uferabschnitten. Hölzer, Baustrukturen ganzer Siedlungen und zahlreiche Funde, auch so vergängliche Materialien wie Textilien und Nahrungsreste blieben erhalten. Als Beispiel der optimalen Konservierung wird der neue Fund gewertet: die Flechtsandale aus Gehölzbast, die in Ablagerungen einer endneolithischen Pfahlbau-siedlung ausgegraben wurde.
„Um dieses wichtige kulturelle Erbe im Bodensee und Zürichsee zu erhalten", so Schmalzl weiter, „führt das Regierungspräsidium Stuttgart gemeinsam mit Partnern aus Baden-Württemberg, Vorarlberg und der Schweiz das 'Interreg -Projekt Ufererosion und Denkmalschutz im Bodensee und Zürichsee' durch. Hierfür stehen bis 2011 rund 1,8 Millionen Euro zur Verfügung. Dass wir dieses Projekt überhaupt realisieren können, verdanken wir der Förderung durch das Interreg IV-Programm „Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein. Es steuert mit rund 1,1 Millionen Euro den Hauptteil der Geld-mittel bei." Die Interreg-Förderung setzt sich zusammen aus rund 820.000 Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und aus rund 280.000 Euro Schweizer Interreg-Mittel. Das Regierungspräsidium Stuttgart ist hier Projektkoordinator (Lead-Partner). Weitere Partner sind das Amt für Archäologie des Kantons Thurgau, die Abteilung Archäologie und Denkmalpflege der Baudirektion des Kantons Zürich, das Vorarlberger Landesmuseum und das Institut für Seenforschung Langenargen. Das Limnologische Institut der Universität Konstanz beteiligt sich im Rahmen einer Kooperation.
Mittels drei aufeinander abgestimmter Untersuchungen und Vorgehen soll das Kulturerbe erhalten bleiben. Zum einen werden die Erosionsvorgänge im Flachwasserbereich erforscht, um deren Ursachen genauer zu begreifen und Prognosen zur künftigen Entwicklung zu geben. Zum anderen werden umweltschonende Schutzkonstruktionen erprobt, die mittels Kiesabdeckung und Geotextil den akuten Erosionsvorgängen Einhalt gebieten sollen. Schließlich wird ein Monitoringsystem entwickelt, das die Fundstätten in der ökologisch empfindlichen Flachwasserzone langfristig überwachen soll. Umweltveränderungen, Klimawandel und Schiffsverkehr gefährden die archäolo-gischen Fundstellen unter Wasser und führen zur Abspülung der schützenden Deck-schichten. Auf Versuchsflächen testen die Wissenschaftler verschiedene Erosions-schutzmaßnahmen und erarbeiten Kriterien und Techniken für eine Überwachung der archäologischen Fundstätten unter Wasser.
Die Pfahlbauten in den Alpenrandseen sind Denkmäler von einzigartiger Bedeutung und wissenschaftlicher Aussagekraft. Die gesamte Denkmälergruppe der Pfahlbauten erstreckt sich von Ostfrankreich über die Schweiz, Norditalien und Süddeutschland bis nach Österreich und Slowenien. Die Fundstellen in Baden-Württemberg haben mit ihrer Einzigartigkeit einen wichtigen Anteil an der Rekonstruktion der Siedlungs- und Umweltgeschichte früher Bauern im Umfeld der Alpen. Das Land beteiligt sich deshalb an der internationalen Initiative unter der Federführung der Schweiz den Titel „UNESCO-Welterbe" für die Pfahlbauten zu beantragen. Etwa 35 ausgewählte Fund-stellen am deutschen Bodenseeufer und in den Seen und Mooren Oberschwabens sollen auf die Welterbeliste. Das Landesamt für Denkmalpflege arbeitet derzeit an den Kartierungen und Begründungen für das Antragsdossier. Mit den in Frage kommenden Gemeinden werden Abstimmungsgespräche geführt. Der Antrag soll zum Jahresende 2009 in Paris eingereicht werden.