Der ERC Consolidator Grant ermöglicht es Riedlberger und seinem Forschungsteam ab dem kommenden Jahr, spätantike Konstitutionen zu untersuchen. In der Spätantike (circa 300 bis 600 n. Chr.) erfolgte die Gesetzgebung in Form der sogenannten Konstitutionen. Diese Texte entsprechen nicht den heutigen Erwartungen an Gesetze: Anstatt prägnant, klar und leicht verständlich zu sein, sind sie in anspruchsvoller Prosa verfasst. Darüber hinaus verbergen sie ihren juristischen Kern inmitten eines umfangreichen Textes. "Diese eigentümliche Situation wird noch rätselhafter, wenn man bedenkt, dass viele dieser Texte nach einem ausgeklügelten System publiziert wurden", erklärt Riedlberger. "Sie erreichten selbst kleine Orte, in denen dann diese komplexen Texte oft sowohl öffentlich ausgehängt als auch vorgelesen wurden. In einer Welt ohne Fernsehen oder Zeitungen stellten die neu eingetroffenen Konstitutionen womöglich die wichtigste Verbindung zur übrigen Welt dar."
Man könnte erwarten, dass ihr Inhalt propagandistisch war. Denn ihre Verbreitungswege führten dazu, dass der Kaiser über diese Texte einen Großteil seiner Untertanen direkt erreichen konnte. Das ist aber nicht der Fall. Anstatt die Probleme zu beschönigen, bevorzugten mehrere Kaiser ein offenes Vorgehen: Sie gaben etwa zu, dass barbarische Angriffe gefürchtet werden müssen oder dass ein früheres Gesetz problematisch war.
"Die Universität Bamberg ist der ideale Host für meinen Grant – sowohl was das akademische als auch was das administrative Umfeld angeht", bemerkt Riedlberger. Er bedankt sich für das persönliche Vertrauen und die Unterstützung durch die Universitätsleitung, die ihm die Arbeit sehr erleichtert hat. "Für spätantike Studien ist Bamberg einer der Hot Spots in Deutschland", glaubt Riedlberger, denn die Spätantike sei hier besonders stark vertreten ist. "Prof. Dr. Hartwin Brandt, einer der führenden Spätantike-Forschenden, ist Inhaber des Lehrstuhls für Alte Geschichte. Es gibt eine hochkompetente Klassische Philologie. Die Archäologie der Römischen Provinzen in Bamberg zeichnet sich durch die Spitzenforschung gerade zur Spätantike aus.“, erläutert er. Der Lehrstuhl für Kirchengeschichte und Patrologie lehrt als einer von wenigen orientalische Sprachen der Spätantike. Das Institut für Archäologische Wissenschaften, Denkmalwissenschaften und Kunstgeschichte sowie das Zentrum für Mittelalterstudien stellen laut Riedlberger die entscheidenden Verbindungen zur Folgezeit her.
Peter Riedlberger, 1973 in Aichach geboren, studierte Alte Geschichte in München, Freiburg und Paris. Im Jahr 2009 wurde er in Lateinischer Philologie an der CAU Kiel, 2012 in Geschichte der Naturwissenschaften an der LMU München und 2019 in Rechtswissenschaften an der Universität Tübingen promoviert. Nach Arbeits- und Forschungsaufenthalten in München, am Warburg Institute in London, in Tel Aviv und an der Juristischen Fakultät der Universität Tübingen forscht er seit 2015 an der Universität Bamberg.