Weitere Gräber im römischen Gräberfeld von Heidelberg-Neuenheim entdeckt

Im Herbst 2024 wurden bei archäologischen Nachgrabungen im römischen Gräberfeld von Heidelberg-Neuenheim 17 weitere Brand- und Körperbestattungen sowie eine Pferdeniederlegung aus dem 1. bis 3. Jahrhundert nach Christus entdeckt. Die Funde ergänzen frühere Ergebnisse, nachdem die Fläche bereits 1966 umfassend untersucht wurde.

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Ziegelplattengrab mit Leichenbrand und Henkelkrug
Ziegelplattengrab mit menschlichem Leichenbrand im Inneren und daneben abgestelltem Henkelkrug. Der neben dem Krug aufgefundene Rippenknochen gehörte zu einer Speisebeigabe, die der verstorbenen Person in ihr Grab mitgegeben wurde. Foto: LAD, Roth

Mit rund 1.400 Brand- und Körperbestattungen ist das römische Gräberfeld von Heidelberg-Neuenheim das größte, das bisher in Baden-Württemberg entdeckt wurde. In den Jahren 1951 bis 1969 wurde es vor der Erschließung des Neuenheimer Feldes bereits großflächig untersucht. Anlässlich eines Neubaus des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) an der Berliner Straße nahm die archäologische Firma AAB, unter fachlicher Begleitung des Landesamtes für Denkmalpflege (LAD) im Regierungspräsidium Stuttgart, die Stelle mit der dichtesten Gräberbelegung im Herbst 2024 erneut in den Blick. Die archäologische Nachuntersuchung konnte auf der 1966 bereits untersuchten Fläche nun siebzehn weitere Gräber, davon zwölf Brandgräber und fünf Körperbestattungen, sowie eine Pferdeniederlegung sichern. An mehreren Stellen konnte zudem beobachtet werden, dass die Untersuchung von 1966 ein Grab knapp gestreift, aber entweder nicht erkannt oder nur unvollständig freigelegt hatte.

Von den Brandgräbern enthielten insbesondere zwei Brandschüttungsgräber im Nordwesten der Untersuchungsfläche zahlreiche Beigaben. Es fanden sich Teller, Schüsseln, Krüge und Öllämpchen aus Keramik, Glasperlen, auf dem Scheiterhaufen geschmolzene Gefäße aus Glas sowie verbrannte Objekte aus Metall. Beide Gräber waren durch Bau und Nutzung des DKFZ-Parkplatzes seit den1970er-Jahren stark komprimiert, die Beigaben überwiegend zerbrochen.

Als besonders gut erhalten stellte sich dagegen ein Ziegelplattengrab dar, wie Sarah Roth, zuständige Archäologin am LAD, berichtet: "Der menschliche Leichenbrand war in eine aus Ziegeln zusammengestellte Kiste mit Deckel gegeben worden. Um diese herum hatte man drei Henkelkrüge gestellt, die bei der Bestattung als Libationsgefäße für Trankbeigaben gedient haben könnten. Alle drei Tonkrüge hatten sich vollständig und unbeschadet in der Erde erhalten."

Unter den vier Körpergräbern befand sich eine bemerkenswerte Doppelbestattung. Eine erwachsene männliche Person war in gestreckter Rückenlage in die Grabgrube gelegt worden. Von ihrer Kleidung haben sich nur die Schuhnägelchen aus Eisen erhalten. Darüber lag eine zweite erwachsene Person, ebenfalls in Rückenlage, Kopf an Fuß mit der ersten. Die Beine waren zur linken Seite hin angehockt. Möglicherweise war dies jedoch nicht die ursprüngliche Bestattungslage – eine später an dieser Stelle eingetiefte Grube für eine Brandbestattung scheint das Körpergrab laut Roth tangiert zu haben. Vermutlich habe man die noch im Sehnenverband befindlichen Beine des Leichnams für die neue Bestattung zur Seite geschoben.

Die archäologische Untersuchung 2024 fügt nicht nur dem umfangreichen Gräberbestand aus Heidelberg-Neuenheim weitere Bestattungen hinzu, die nun nach dem neuesten Stand der Technik geborgen und dokumentiert wurden. Die Ausgrabung ließ auf einem Großteil der Fläche außerdem Spuren der Altgrabung von 1966 erkennen und liefert zusätzlich zu der damaligen Dokumentation einen quellenkritischen Blick auf die Fundstelle. So lassen sich mit der nötigen Vorsicht auch für weitere, heute längst überbaute Flächen des Gräberfeldes Aussagen zur Vollständigkeit und – für ihre Zeit doch hervorragende – Gründlichkeit der Flächengrabung treffen.

„In der antiken Lebenswelt war es von größter Wichtigkeit, auch nach dem Tod in Erinnerung zu bleiben. Dementsprechend lagen Gräber in römischer Zeit entlang der stark frequentierten Ausfallstraßen der Städte, nach Möglichkeit gut sichtbar in der ersten Reihe und mit einem aufwendigen Grabmonument oder wenigstens einem Grabstein markiert, auf dem an die verstorbene Person erinnert wurde.“, erklärte Sarah Roth.

Ein solches Gräberfeld erstreckte sich in Heidelberg entlang der römischen Straße nach Ladenburg, heute ungefähr von der Kreuzung Gerhart-Hauptmann-Straße 370 Meter nach Nordwesten in das Neuenheimer Feld hinein. "Der eindrucksvolle Umfang dieses Gräberfeldes bietet die Möglichkeit, das große Spektrum an Bestattungsriten und Beigabenausstattungen zu erfassen", so Roth. Anthropologische Untersuchungen könnten zudem Erkenntnisse zu Geschlecht, Sterbealter und Krankheiten der hier Bestatteten in einem Umfang liefern, der auch statistische Auswertungen ermöglicht.

Die Grabungen in den 1950er-/60er-Jahren waren unter großem Zeitdruck und weitestgehend ohne Fachpersonal erfolgt. "Da der Einsatz von Erdbaumaschinen beschränkt war, ging man die Fläche des Gräberfeldes mit mannsbreiten Suchgräben an. Entdeckte man in diesen ein Grab, wurde es vollständig freigelegt. Dieses Vorgehen führte dazu, dass tieferliegende oder außerhalb der Suchgräben liegende Bestattungen unentdeckt blieben", erläuterte die Archäologin. "Die in den verfüllten Suchschnitten angetroffenen Funde wie Glasscherben, eine Blechdose und weiterer Müll, den die Grabungsmannschaft 1966 hier nach Abschluss ihrer Grabung entsorgte, machen zudem deutlich, wie schnell auch unser Tun heute verschüttet zu archäologischen Spuren wird."

Freilegung eines Skeletts
Sorgfältige Freilegung eines menschlichen Skeletts in Seitenlage. Foto: LAD/AAB, Jasmin Rüdiger
Grabungsfläche
Übersicht über die Grabungsfläche: Im Westen wird der bereits freigegebene Bereich für den Neubau ausgehoben, im mittleren Streifen zeichnen sich die Suchgräben der Grabung 1966 ab, rechts im Bild die noch zu untersuchenden Bereiche. Foto: LAD/AAB, Jasmin Rüdiger