Die antike Stadt Ephesos (Westtürkei) liegt eingebettet in eine Talsenke zwischen zwei Stadtbergen, deren Hange in der Antike dicht bebaut waren, aber nach der Aufgabe der Stadt verodeten. Eine massive Hangerosion war die Folge. Bis heute gefahrden Ausschwemmungen und Rutschungen die archäologisch erschlossenen Bereiche und machen ein standiges Monitoring und eine regelmäßige Konsolidierung durch das Team des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI) notwendig. Dabei werden Profile versetzt und Trockenmauern errichtet, um die Ruinen vor den Auswirkungen der Hangerosion zu schutzen und fur Besucher attraktiv und lesbar zu gestalten.
In diesem Jahr wurden Sicherungsarbeiten entlang der Kuretenstraße durchgeführt. Dabei gelang dem Grabungsteam eine kleine Sensation. Die Hauptverkehrsader der Stadt war während der Spätantike von marmornen Säulenhallen flankiert, in die Geschäftslokale, sogenannte tabernae, eingebaut wurden. Sie dienten als Laden, Werkstätten, Wirtshäuser oder Schankstuben. Eine solche Taberne wurde bei der Errichtung von Trockenmauern entdeckt. Die Funde zeigen, dass es sich um eine Schankstube handelte, denn im Schutt befanden sich uber hundert komplett erhaltene Gefäße wie Trinkbecher, Schalen und Teller, und viele Amphoren. Zudem gibt es Banke als Sitzgelegenheiten und kleine Tische, fur die Marmorblöcke aus anderen Gebäuden wiederverwendet wurden. Sogar ein Regal, auf dem noch Geschirr stand, wurde ausgegraben. Die Zerstörung erfolgte plötzlich im frühen 7. Jahrhundert, das Inventar blieb einfach am Boden liegen, niemand machte sich die Mühe eines Wiederaufbaus.
Sabine Ladstätter, Direktorin des Österreichischen Archäologischen Instituts und Grabungsleiterin von Ephesos: »Die Entdeckung präzisiert unsere Vorstellungen von der Straße als Lebensader und als Kommunikationszentrum der Stadt in der Spätantike. Das öffentliche Leben und mit ihm das wirtschaftliche und gesellschaftliche Treiben verlagerte sich von den großen Platzanlagen hin zu den innerstädtischen Boulevards, die in weiterer Folge sowohl repräsentativ als auch infrastrukturell ausgestaltet wurden. In den Schänken genoss man kleine Speisen und Weinsorten aus unterschiedlichen Herkunftsregionen. Neben den regional angebauten Rebsorten fanden sich an die Wände angelehnt Amphoren aus Gaza sowie Kilikien (SO-Türkei).«
Als besonders aussagekräftig erwiesen sich auch die in der zerstörenden Brandschicht gefundenen Münzen. Nikolaus Schindel, Leiter der AG Numismatik am Institut für Kulturgeschichte der Antike an der Österreichischen Akademie der Wissenschaft: »Die Münzfunde sind besonders interessant, da sie einen bereits vorher erkennbaren, dramatischen Einschnitt im Geldumlauf der Stadt während der Regierungszeit des Kaisers Heraclius (610 - 641) deutlich belegen. Dieser Herrscher hatte einen schweren Krieg gegen den sasanidischen Iran duchzufechten, in dessen Kontext vielleicht eine sasanidische Eroberung von Ephesos steht. Auf jeden Fall sinkt ab dem Jahr 615/6 die Zahl der Fundmünzen in Ephesos auf ein Zehntel des früheren Werts, ohne sich jemals wieder zu erholen. Gerade die überdurchschnittlich große Zahl schwerer, großer Münzen in der Taberne beweist, dass das Schadensereignis so schwerwiegend war, dass danach nicht einmal mehr leicht auffindbare Münzen geborgen werden konnten.«
Die Zerstörungen im frühen 7. Jahrhundert waren durchaus nachhaltig, denn die Tabernen entlang der Kuretenstraße wurden endgültig geschlossen und dem Verfall preisgegeben. Die Straße selbst hielt man allerdings noch jahrhundertelang frei von Schutt, wohl um eine funktionierende Verbindung vom Hafen zu den christlichen Pilgerheiligtümern zu garantieren.