Es ist früh am Morgen im Hafen des Wasser- und Schifffahrtsamts Trier. Ausrüstungsgegenstände werden an Bord des 16 Meter langen Holzschiffes gebracht. Wer den Studierenden und Mitarbeitenden der Alten Geschichte der Universität Trier bei den letzten Vorbereitungen für die Abfahrt zuschaut, merkt schnell, wie eingespielt sie sind. Auch Präsidentin Eva Martha Eckkrammer ist begeistert vom Teamwork: »Um ein solches wissenschaftliches Großprojekt umsetzen zu können, braucht es ein kompetentes Team. Ich bin stolz darauf, dass wir an der Universität Trier die Expertise haben. Wir sind alle sehr gespannt auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die die Messfahrten im Mittelmeer bringen.«
Die Altertumswissenschaftler erhoffen sich von den Mess- und Testfahrten im Mittelmeer neue Erkenntnis über die Leistungsfähigkeit von römischen Handelsschiffen. Dadurch können auch Schlussfolgerungen zu antiken Seehandelsrouten gezogen werden. Für die Wirtschaft in der Antike hatte der Seehandel eine elementare Bedeutung. Anders als der Handel an Land sind die Seehandelswege bisher weniger erforscht.
Knapp vier Jahre lang hatten die Forschenden mit der »Bissula« bereits auf der Mosel bei Mess- und Testfahrten Daten gesammelt. »Eigentlich haben wir auf der Mosel die wichtigsten Daten schon erhoben, aber die Frage, wie sich das Schiff im Seegang verhält, wollen wir noch klären. Im Mittelmeer haben wir Wellenschlag und die Bedingungen sind unter Umständen etwas rauer«, erläutert Projektleiter Prof. Dr. Christoph Schäfer.
Zur Sicherheit hat die komplette Crew einen Segel- und Bootsführerschein gemacht. Denn an der französischen Küste vor Cannes kann es auch zu unerwarteten Situationen kommen. Um ausweichen zu können, besitzt das Boot einen zusammenfaltbaren Motor. »Wir werden sehr vorsichtig sein«, sagt Schäfer.
Beim besseren Einschätzen des Verhaltens des Schiffes im Mittelmeer helfen den Trierer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auch Daten, die sie in der letzten Augustwoche in der Schiffbau-Versuchsanstalt (SVA) Potsdam gewonnen haben. In dieser Einrichtung führten Prof. Dr. Christoph Schäfer, JProf. Dr. Pascal Warnking und weitere Mitarbeitende der Universität Trier zusammen mit Ingenieuren der SVA Versuche mit zwei Modellen der Bissula durch.
Dabei ging es zum einen um das Messen des Rumpfwiderstands auf verschiedenen Segelkursen, aber auch um Daten zum Verhalten des Schiffs bei Wellenschlag in unterschiedlicher Höhe. Die Versuche erbrachten spannende Erkenntnisse auch für das Verhalten dieses Schiffstyps bei extremen nautischen Bedingungen. Dies wiederum war wichtig im Hinblick auf die nun anstehenden Forschungsfahrten mit der »Bissula« auf dem Mittelmeer.
Zur Crew der »Bissula« gehören auch Studierende wie Johanna Klusch, die an der Universität Trier im Bachelor für Geschichte und Kunstgeschichte eingeschrieben ist. Sie freut sich sehr auf die Forschungsreise: »Segeln ist meine große Leidenschaft. Das mit Forschung zu verbinden, finde ich ganz toll.«
Trotz viel Erfahrung, etwas Aufregung war dennoch bei Studierenden und Mitarbeitenden zu spüren, als es gegen 7:15 Uhr im Hafen des Wasser- und Schifffahrtsamt Trier hieß: »Leinen los«. Das Ablegen klappte wie am Schnürchen. Auf ruhigem Fahrwasser fuhr die »Bissula« die Mosel hinauf. Einen besonderen Moment gab es für die Crew kurz vor der Einmündung der Saar in die Mosel bei Konz: Bisher war das Boot noch nie unter der dortigen Brücke durchgefahren, da das Schiff mit aufgestelltem Mast zu hoch ist. Für den Weg zum Mittelmeer war er demontiert worden.
Tagesziel der Forschenden war übrigens Dillingen an der Saar. Dort wurde die »Bissula« auf einen Schwertransporter verladen, mit dem die Reise bis nach Cannes weitergeht. Bis Ende Oktober wird die Crew dort täglich von morgens bis abends auf wissenschaftlicher Mission unterwegs sein. Erste Forschungsergebnisse sollen im Laufe des Wintersemesters vorliegen.
Die Versuche vor Cannes werden von der Nikolaus Koch Stiftung und der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie von diversen Unternehmen der Region und der Handwerkskammer Trier gefördert.
Messungen in der Schiffbau-Versuchsanstalt Potsdam
In der Schiffbau-Versuchsanstalt in Potsdam kamen zwei Objekte zum Einsatz. Ein mehr als fünf Meter langes Modell wurde an der Universität Trier in enger Zusammenarbeit mit Bootsbaumeister Matthias Helterhoff aus Usedom gebaut. Das zweite, gut einen Meter lange Modell für Versuche im Wellenschlag, entstand im Labor für digitale Produktentwicklung und Fertigung (LDPF) der Hochschule Trier unter Leitung des Akademischen Rats Michael Hoffmann. Dessen Team hatte auch die Pläne für die beiden Modelle berechnet. Maschinenbauer der Hochschule Trier unter der Leitung von Prof. Dr. Karl Hofmann-von Kap-herr entwickelten die ferngesteuerte Ruderanlage. Die Modelle sind ein Beleg für die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Universität, Hochschule und Handwerk im Rahmen der Wissenschafts-Allianz Trier. Die Versuchsreihen in Potsdam wurden im Rahmen der Forschungsallianz Rheinland-Pfalz und von der Manfred und Christa May Stiftung unterstützt.