Auf den ersten Blick ist es ein gewöhnlicher, dicht bewachsener Waldhang. Hier ein paar bemooste Steine und Felsen, da ein kleiner Graben. Doch wer genauer hinsieht, erkennt auf der Bergkuppe, die etwa 1,5 Kilometer südöstlich von Genkingen, einem Teilort von Sonnenbühl (Landkreis Reutlingen) liegt, Mauerüberreste. Es sind Überreste der Burg Hohengenkingen - einer von drei Genkinger Burgen. Genaue Daten zur Burg sind nicht bekannt, es wird aber vermutet, dass die Burg im 12. Jahrhundert vom Ortsadel Genkingen, Angehörigen der Grafen von Achalm, erbaut wurde. Um mehr über die Höhenburg zu erfahren und sie bekannter zu machen, hat die Gemeinde Sonnenbühl diverse Untersuchungen in Auftrag gegeben. So führen Studierende des Studiengangs Bauingenieurwesen der Hochschule Biberach (HBC) Vermessungsarbeiten an der Burgstätte durch.
»Unsere Aufgabe war es, das Gebiet mit zwei unterschiedlichen Messverfahren zu vermessen. Dem tachymetrischen Messverfahren und dem terrestrischen 3D-Laserscanning«, erklärt Lukas Bühler, der im dritten Semester Bauingenieurwesen studiert und am Projekt beteiligt war. An vier Terminen haben 70 Studierende das Gelände untersucht. Beim tachymetrischen Messverfahren hat das Projektteam einzelne Punkte des Geländes, der Höhenlage der Mauerreste und der ersichtlichen Wege aufgenommen, um einen Geländeplan zu erstellen. »Beim 3-D-Laserscanning haben wir mit Hilfe des Geräts eine Million Punkte pro Sekunde aufgenommen, wodurch eine sehr große Datenmenge zustande kam«, so Matthias Hillebrand, der ebenfalls im dritten Semester studiert. Mithilfe des Verfahrens und der gewonnen Daten soll ein digitaler Zwilling erstellt werden, der es ermöglicht, sich ortsunabhängig einen Überblick vom Gelände zu verschaffen.
Bisher frei verfügbare Informationen zur Burg sind unstimmig und häufig falsch. Lesefunde erlauben es aber, die Laufzeit der Anlage auf die Zeit zwischen 1200 und dem letzten Drittel des 14. Jahrhunderts einzugrenzen. Man geht davon aus, dass die Burg eines Tages abgebrannt ist. Sowohl verbrannte Mauerreste und Mörtel als auch verbrannte Holzziegel im Schutt belegen dies. Gerade das fehlende Wissen habe den Studierenden vor Ort ein wenig Schwierigkeiten bereitet: »Manchmal war es nicht ganz einfach zu erkennen, ob es sich nun um einen Stein oder einen Mauerrest handelt«, gibt Hillebrand zu. Und auch das steile Gelände sei zum Vermessen »herausfordernd« gewesen, nennt sein Kommilitone Felix Hund eine weitere Schwierigkeit. Unterstützung erhielten die Studierenden stets von Prof. Dr. Hans Quasnitza, Professor für Vermessungskunde an der Hochschule Biberach, der vorab in Vorlesungen auf das besondere Vorhaben vorbereitet hatte und auch vor Ort bei den Vermessungen mit seinem Expertenwissen den Projektgruppen zur Seite stand. Vor allem die Nutzung der Geräte in der Praxis, die sie zuvor nur aus den theoretischen Vorlesungen kannten, habe den Studierenden Spaß gemacht. Das praktische Arbeiten ist ein großer Bestandteil des Studiums und wichtige Voraussetzung für den Start ins Berufsleben.
Mit ihren Vermessungen haben die Studierenden eine Grundlage geschaffen, die für eine weitere konzeptionelle Planung wichtig ist. Die Gemeinde Sonnenbühl erhofft sich nun weitere Antworten auf ihre Fragen, um die Burg in die Region reintegrieren zu können. Wie kann das Bodendenkmal erhalten werden, wie wird mit den übriggebliebenen Mauerresten umgegangen und machen weitere Ausgrabungen Sinn? Denn zukünftig soll auf dem von dichtem Wald umgebenen Gelände noch mehr geforscht werden. Es könnte sich ein interdisziplinäres Projekt entwickeln, welches weiteren Hochschule und Universitäten die Möglichkeit gibt, sich an der Forschung zu beteiligen.
Der Reutlinger »Zeit«-Journalist Wolfang Bauer, der aus der Gemeinde Sonnenbühl kommt, gilt als Triebfeder des Projekts. Er hat eine Zeit lang in Undingen gewohnt und die Ruine habe ihn nicht mehr losgelassen. Gemeinsam mit Dr. Mathias Hensch vom Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (LAD) und dem freiberuflichen Archäaologen Dr. Sören Frommer soll nun die Geschichte und die historische Bedeutung der Anlage erforscht werden. Neben der Hochschule Biberach ist auch die Universität Tübingen mit ihrem Institut für Geschichtliche Landeskunde und Historische Hilfswissenschaften beteiligt.