Die mehrmonatigen Untersuchungen wurden aufgrund von geplanten Neubaumaßnahmen notwendig. Bislang beruhte das Wissen über diesen Bereich weitgehend auf den Ergebnissen von Ausgrabungen in den Jahren 1901 bis 1904. Die jetzigen Untersuchungen erweitern nach Auskunft der LWL-Expertinnen und -Experten das bisherige Verständnis zum kleinen militärischen Flusshafen, der sich hier vor 2.000 Jahren befand, und zu dessen Umwehrung aus Holz-Erde-Mauer und Wehrgraben.
Zwischen dem Kardinal-von-Galen-Platz und dem Sportplatz in Haltern schiebt sich eine spornartige Terrasse von der Weseler Straße auf einer Länge von 500 Meter südwärts zum Schulzentrum. Im heutigen Stadtbild ist dieser Sporn so stark überbaut, dass er optisch kaum hervortritt.
Dagegen konnten die Ausgräber 1901 die markante Erscheinung dieser Flur mit dem Namen "Hofestatt" noch deutlich im Gelände erkennen. Am Terrassenfuß floss bis in das 16. Jahrhundert hinein die Lippe entlang, daher wählte der damalige Grabungsleiter Friedrich Koepp für diese Fundstelle schon früh die Bezeichnung "Uferkastelle". Auch zur Zeit der römischen Okkupation schob sich die Hofestatt vergleichbar einer Halbinsel weit in das Lippetal vor, so dass die Römer diese Geländeform für ihre militärischen Zwecke nutzen konnten. Hier lagen die Patrouillenboote im Hafen, mit denen die Legionäre die Schiffstransporte auf der Lippe sicherten. Erst im Jahr 1547/1548 verlagerte die Lippe infolge eines Jahrhunderthochwassers ihren Flusslauf um 900 Meter nach Süden.
Da ab den 1950er Jahren das Uferkastells großflächig überbaut wurde - ohne archäologische Begleitung -, eröffnet das Bauvorhaben den Fachleuten des LWL jetzt die Möglichkeit, die archäologischen Reste mit modernen Methoden zu erforschen. "Mit der aktuellen Ausgrabung begeben wir uns in zweifacherweise auf eine Zeitreise. Einerseits zu den Altausgräbern, deren Ergebnisse wir nach 120 Jahren überprüfen können und andererseits zu den Römern und deren Bautechnik", berichtet Dr. Bettina Tremmel, Römerexpertin der LWL-Archäologie für Westfalen.
Die Marinebasis wurde viermal komplett neu aufgebaut, jeweils mit verändertem Kastellgrundriss. Seit 2021 wurden eine Vielzahl von Gruben und Gräben, die sich deutlich sichtbar über zwei Jahrtausende als Bodenverfärbungen erhalten haben, freigelegt und dokumentiert. Mehrheitlich handelt es sich dabei um die Pfostengräbchen der ältesten Phase und die Pfostenspuren der dritten Phase. Die Baukonstruktion der ältesten Phase begegnet ähnelt der im römischen Lager von Bergkamen-Oberaden, dessen Teilrekonstruktion seit 2012 dort zu besichtigen ist.
Die Befunde der dritten Phase zeigen Parallelen in der rekonstruierten Holz-Erde-Mauer des Römerparks Aliso im LWL-Römermuseum in Haltern am See. Die Überreste diverser römischer Abfallgruben waren bereits ausgeräumt, da die Ausgräber des Jahres 1904 diese Abfallgruben bereits geleert hatten.
Die Ausgrabung wird in den nächsten Wochen abgeschlossen.