Die Überreste eines Skelettes einer unserer Urururahnen zu entdecken, zählt eigentlich schon zu den wirklich seltenen Glücksfallen in der Forschung. Aber gleich vier Individuen an einem Fundort freilegen zu können, ist bisher einmalig. Dieser größte nicht anzunehmende Glücksfall gelang einer Forschergruppe um den Paläontologen Lee Berger in der Malapahöhle, 40 Kilometer westlich von Johannesburg. Vermutlich sind die vier Hominiden vor ca. 2 Millionen Jahren in die Höhle gestürzt und verstorben. Da neben den Knochen von zwei erwachsenen Individuen, auch mehrere gut erhaltene Knochen eines jugendlichen und eines erst 18 Monate alten Individuums identifiziert werden konnten, bilden die vier Skelette die gesamte Entwicklung vom Kleinkind zum Erwachsenen ab.
Bemerkenswert an diesen neuen Funden ist, dass sie aus einer Epoche stammen, aus der bisher besonders wenige Fossilien von Hominiden bekannt sind und in die auch die Entstehung der Gattung Homo fällt. Das Forscherteam hat die Funde als eine neue Art innerhalb der Australopithecinen beschrieben, dem sogenannten Australopithecus sediba, einem Nachfahren des Australopithecus africanus. Da die neue Art nach Auffassung von Lee Berger mehr gemeinsame Zahn- und Knochenmerkmale mit den frühesten Vertretern der Gattung Homo aufweise als alle anderen Australopithecus-Arten, sehen er und seine Kollegen in ihm einen direkten Vorfahren der frühen Homo-Arten.
Zahlreiche andere Paläontologen interpretieren den Fund aus der Malapahöhle deutlich zurückhaltender. Da er mit 2 Millionen Jahren deutlich später datiert als das bis dato älteste der Gattung Homo zugeordnete Fossil, dem auf 2,4 Millionen Jahre datierten Unterkiefer eines Homo rudolfensis, sehen sie darin eher einen späten südafrikanischen Seitenast der Australopithecinen, der neben bereits existierenden Vertretern der Gattung Homo gelebt habe. Oder sie verweisen darauf, dass man zuerst die mögliche Variationsbreite des Australopithecus africanus ausloten müsse, bevor man eine neue Art beschreibe.