Viehzucht und Milchwirtschaft führten zu großen sozialen Veränderungen in der Mongolei

Die Migrationsrouten von Hirten und Viehzüchtern in der östlichen Steppe ist von besonderem Interesse für die Forschung. Doch nur selten wurde die Einführung von Herden und Pferden als Einflussgröße auf komplexe Gesellschaften untersucht. Eine im Journal PLOS ONE veröffentlichte Studie liefert nun interdisziplinäre Hinweise für Verbindungen zwischen Viehzucht und Molkerei und der Entstehung komplexer Gesellschaften in der östlichen Steppe.

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© Noost Bayarkhuu, University of Science and Technology of China

Anhand proteomischer Analysen von menschlichem Zahnstein aus Stätten im mongolischen Altai, gelang es den Forschenden zu zeigen, dass es während der Bronzezeit zu einem Wandel im Molkereikonsum kam. Insbesondere domestizierte Schafe, Ziegen und Rinder spielten eine entscheidende Rolle für diese historischen Volkswirtschaften. Die Einführung von Wiederkäuern führte zu Bevölkerungswachstum, dem Bau von Friedhöfen und großen Monumenten. Während sich mit den frühesten Belegen für die Pferdemolkerei in der Mongolei deutliche Veränderungen vollzogen, blieb der Verzehr von Pferdemilch bis in spätere Zeiten eine relativ neue Praxis.

Die Ausbreitung von Herden in den mongolischen Altai führte also zu unmittelbaren Veränderungen in der menschlichen Ernährung, während sich die nachfolgenden sozialen und demografischen Veränderungen erst später etablierten. "Wenn wir den Zeitpunkt der Einführung von Nutztieren nach hinten verschieben, müssen wir das Tempo des sozialen Wandels überdenken, der sich in viel längeren Zeiträumen vollzieht", so Hauptautorin der Studie, Alicia Ventresca Miller, Assistenzprofessorin für Anthropologie an der Universität Michigan.

Die Forschenden der Universität Michigan und des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte extrahierten Proteine aus Zahnsteinproben, um Kaseine und Molke zu identifizieren, die mit Wiederkäuer- und Pferdemilch in Verbindung stehen. Gemeinsam mit Forschenden der Nationalen Universität der Mongolei und dem Nationalmuseum der Mongolei wurden die Ergebnisse interpretiert, um zu untersuchen, wie sich die historischen Gesellschaften nach der Einführung von domestizierten Nutztieren veränderten.

Starke soziale Veränderungen und monumentale Bauten wurden durch eine langfristige Abhängigkeit von Schafen, Ziegen und Rindern vorangetrieben, so Ventresca Miller. Dafür sprechen u.a. Funde von Wiederkäuerknochen in großen monumentalen Khirgisuurs im Altai-Gebirge, während in anderen Gebieten der Mongolei hauptsächlich Pferdeknochen gefunden wurden.

"Diese neuen Ergebnisse könnten unser Verständnis der Dynamik der Bronzezeit verändern", so Tsagaan Turbat, Professor für Archäologie und Anthropologie an der Nationalen Universität der Mongolei. Turbat vermutet, dass die Hirschstein-Khirgisuur-Komplexe, die am besten erforschten in der Region, von Sagsai-Gruppen im Altai-Gebirge abstammen könnten.

Die aktuelle Studie verschiebt das früheste Datum der Pferdemolkerei in der östlichen Steppe im Zusammenhang mit Sagsai-Bestattungen auf etwa 1350 v. Chr. Da erste Belege für den Verzehr von Stutenmilch selten sind, könnte dies ein Novum gewesen sein, da Pferde ein wichtiger Bestandteil des rituellen Lebens waren, so die Forschenden.

Publikation

A. R. Ventresca Miller, S. Wilkin, J. Hendy, Ts. Turbat, D. Batsukh, N. Bayarkhuu, P. H. Giscard, J. Bemmann, J. Bayarsaikhan, B. Miller, J. Clark, P. Roberts, N. Boivin

The spread of herds and horses into the Altai: How livestock and dairying drove social complexity in Mongolia

PLOS ONE. 11.5.2022
DOI: 10.1371/journal.pone.0265775