Die 400 m² große Grabungsfläche am Bauplatz des Herbariums wird seit März archäologisch untersucht. Die Besiedlungsspuren reichen in diesem Bereich bis in die Späte Bronzezeit / Frühe Eisenzeit (ca. 9./ 8. Jh. v. Chr.) zurück. Einzelne Pfosten- und Siedlungsgruben sowie die dazugehörigen Keramikfunde lassen auf eine dörfliche Ansiedlung von Salzwirkern schließen. Für nachfolgende Perioden bis zum Mittelalter fehlen archäologische Zeugnisse. Frühmittelalterliche Keramikfunde deuten auf eine Wiederbesiedlung des Areals ab dem 10./ 11. Jh. hin, bis schließlich 1116 das Kloster Neuwerk gegründet wurde.
Vor allem östlich der Hauptapsis der wiederentdeckten Klosterkirche wurden von den Archäologen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt (LDA) zudem 117 Bestattungen von Männern, Frauen und Kindern freigelegt. Sie datieren ins Hoch- und Spätmittelalter. In einem Grab lagen in der Beckengegend mehrere Münzen, bei denen es sich um Brakteaten Herzog Bernhards von Sachsen-Wittenberg aus der Zeit zwischen 1183 und 1212 handelt. Hervorzuheben ist auch eine Bestattung in unmittelbarer Nähe der Seitenapsis mit einem stark korrodierten Eisenobjekt in der Herzgegend. Ein Kindergrab enthielt zudem neben dem Kopf ein zusammengefaltetes Bleitäfelchen mit Inschrift. Gemäß mittelalterlichem Volksglauben besaß Blei magisch heilende Kräfte, die christlichen Beschwörungstexte sollten Unheil abwehren.
Die landes- und kirchengeschichtliche Bedeutung des im Jahr 1116 in topographisch exklusiver Lage zwischen Halle und Giebichenstein gegründeten Augustinerstifts ist immens. Vermutlich waren es Augustinerchorherren aus dem damals zur Diözese Passau gehörigen Kloster Reichersberg, die sich auf dem Bergsporn oberhalb der Saale niederließen. Zur Kirchenweihe 1124 wurden dem Kloster die Reliquien des Heiligen Alexander übertragen. Es muss spätestens zu diesem Zeitpunkt baulich wie liturgisch etabliert gewesen sein. Bereits 1121 war das Augustiner-Chorherrenstift zum Neuen Werk mit privilegierten Markt- und Zollrechten ausgestattet und besaß umfangreichen Besitz an Land, Mühlen (Steinmühle) und Pfarrrechten. Die mit dem Bau des Klosters erfolgte Ansiedlung von Tagelöhnern und Handwerkern wurde zur nova villa erhoben und bekam nach 1194 (erst 1241 erwähnt) die in der Nähe zur Klosterkirche gelegene Pfarrkirche St. Laurentius. Bei Ausgrabungen im letzten Jahr wurden dort 21 Bestattungen freigelegt. Der Ort an der strategisch singulären Heer- und Handelsstraße, die über Burg Giebichenstein nach Magdeburg führte, entwickelte sich zur vorstädtischen Siedlung und späteren Amtsstadt Neumarkt, die jahrhundertelang wirtschaftlich stark mit Halle konkurrierte.
Der legendär reiche Besitz des Klosters, das 1184 als Moritzstift sogar ins hallesche Stadtgebiet expandierte, ist aufgrund der historischen Quellenlage gut bekannt. Dagegen ist seine Stellung als einflussreiches Archidiakonat im Erzstift Magdeburg und Ort monastischer Gelehrsamkeit nur spärlich überliefert. Mit der spektakulären Aufhebung des Klosters in der Reformationszeit gerieten wichtige Ereignisse der Klostergeschichte in Vergessenheit, wie etwa die Heiligsprechung des 1144 verstorbenen Probstes Lambert von Neuwerk, an dessen Grab es 1153 eine Wunderheilung gab.
Ausgelöst durch ihren Ordensbruder Martin Luther geriet das Kloster der Augustinerchorherren in den Strudel der Reformation. Ab 1520 begann Kardinal Albrecht von Brandenburg mit dem Bau eines neuen Stifts, das bereits 1523 geweiht wurde. Zentrum des neuen Stifts war die heutige Domkirche zu Halle, auf sie sollte der Besitz des Klosters Neuwerk übergehen. Das Neue Stift übernahm die Verwaltungs- und Gerichtsfunktionen von Neuwerk, das dadurch in Bedeutungslosigkeit versank, 1528 wurde das Kloster an den Kardinal übergeben. Zu der Zeit befanden sich dort neben Probst und Prior noch 20 Augustinerchorherren. 1530 wurde Neuwerk aufgelöst, die letzte Messe am 24. August 1531 gesungen, und danach zunächst die Kirchen- sowie Klausurgebäude abgetragen. Sämtliches Vermögen ging auf das Neue Stift über. Das Abbruchmaterial der Klosterbauten kam dem Bau der Neuen Residenz am Neuen Stift zugute, wobei einige exklusive Bauteile im Innern aufwändig als Spolien präsentiert wurden.
Dennoch blieben Teile des Klosterareals erhalten, vor allem die Wirtschaftsgebäude bzw. dementsprechend veränderte Klausurbereiche. Sie wurden vornehmlich zur späteren Brauerei des Amtes Giebichenstein umgenutzt. Die letzten bekannten Reste verschwanden – mit Ausnahme des Braukellers – erst mit der städtebaulichen Verdichtung ab Ende des 19. Jhs. Sämtliche Pläne und Ansichten zeigen uns lediglich die Situation nach dem Abbruch der Sakralgebäude 1531 und führten somit zu Fehlinterpretationen.
Zur Kirche selbst ist nur sehr wenig überliefert. Aufgrund einer Siegeldarstellung ist von einer viertürmigen romanischen Kirche auszugehen, mit Portal und rundbogigen Fenstern. In der »Dreyhauptschen Chronik« aus der Mitte des 18. Jhs. ist von Kapellen sowie mehreren (Stiftungs-)Altären die Rede. Die Kubatur und Dimension von Kirche, Klausur und Wirtschaftsgebäude ist nicht bekannt, dürfte aber beeindruckend gewesen sein.
Angesichts der historischen Bedeutung des Klosters Neuwerk, das bis zu seinem Niedergang in der Reformationszeit das mächtigste Kloster im Süden des Erzbistums Magdeburg war, kann die Wiederentdeckung des Kirchenstandortes als bauarchäologische Sensation weit über die Grenzen von Halle gewertet werden.