Hunde gelten gemeinhin als die ältesten bekannten Haustiere. "Wann genau die Domestizierung von Wölfen zu Haus- und Hütehunden erfolgte, ist aber nach wie vor unklar. Wissenschaftliche Schätzungen variieren zwischen etwa 15.000 bis 30.000 Jahren vor heute", erklärt Dr. Chris Baumann vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen und fährt fort: "Und auch der Ort dieses Übergangs vom Wild- zum Haustier ist bislang nicht geklärt."
Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, hat Baumann mit einem internationalen Team mehrere fossile Knochen aus der Familie der Hunde (Canidae) – zu welcher neben heutigen Haushunden auch Wölfe und Füchse gehören – aus einer Höhle im Südwesten Deutschlands untersucht. "Die Gnirshöhle ist eine kleine Höhle mit zwei Kammern im Süden Baden-Württembergs, die in unmittelbarer Nähe zu zwei weiteren Höhlen aus dem Zeitalter des Magdalénien, einer archäologischen Kulturstufe im jüngeren Abschnitt des Jungpaläolithikums, liegt", ergänzt Baumann.
Die aus der Gnirshöhle stammenden fossilen Canidae-Knochen wurden mit verschiedenen kombinierten Methoden untersucht. Der Tübinger Biogeologe hierzu: "Wir haben Morphologie, Genetik und Isotopie verknüpft und konnten so feststellen, dass die untersuchten Knochen aus vielen verschiedenen genetischen Linien stammen und die daraus neu sequenzierten Genome die ganze genetische Bandbreite von Wolf bis Hund abdecken."
Die Forscherinnen und Forscher gehen daher davon aus, dass die Menschen des Madgaléniens Tiere gezähmt und aufgezogen haben, die aus verschiedenen Wolfslinien stammten. "Die Nähe der Tiere zu den Menschen sowie die Hinweise auf deren recht eingeschränkte Ernährung lassen uns annehmen, dass vor 16.000 bis 14.000 Jahren Wölfe bereits zu Haushunden domestiziert wurden. Ein Ursprung der europäischen Hunde könnte demnach im Südwesten Deutschlands liegen", fasst Baumann zusammen.
Publikation
A refined proposal for the origin of dogs: the case study of Gnirshöhle, a Magdalenian cave site
Scientific Reports. 4.3.2021
DOI: 10.1038/s41598-021-83719-7