»Die aufwendige Aufbereitung der Ergebnisse in einem Themenwanderweg sowie die Darstellung der Ausgrabungsbefunde in einem Schutzbau sind bundesweit einzigartig und damit ein überregional herausragendes Projekt der Denkmalpädagogik«, so Prof. Dr. Michael Rind, Direktor der LWL-Archäologie für Westfalen. »Noch nie gelang es, derart komplexe archäologische Strukturen zu erhalten und attraktiv der Öffentlichkeit zu vermitteln«, so der LWL-Chefarchäologe über den Projektabschluss.
Die größten Verhüttungsöfen Europas
Vor 2.000 Jahren wurde im Siegerland in den größten Verhüttungsöfen Europas Eisen gewonnen. Auf eine keltische Produktionsphase folgte knapp 1.000 Jahre später eine mittelalterliche, die mit viel ineffizienteren Öfen arbeitete. Dies sind zwei Ergebnisse jahrelanger archäologischer Forschungen im Tal des Gerhardsseifens. Archäolog:innen des Deutschen Bergbau-Museums Bochum, des LWL sowie der Ruhr-Universität Bochum gruben hier von 2007 bis 2012 in verschiedenen Kampagnen die archäologische Fundstelle aus.
Die Fundstelle umfasst eine Werkstatt von Köhlern des 17. Jahrhunderts, die eine hochmittelalterliche Verhüttungswerkstatt überlagert. Diese Werkstatt wurde wiederum auf einer mindestens 1.000 Jahre älteren keltenzeitlichen (eisenzeitlichen) Verhüttungswerkstatt errichtet. Die Überreste aus den insgesamt drei Zeiträumen waren derart gut erhalten, dass durch ihre Erforschung ein »immenser Erkenntnisgewinn« zur jeweiligen Betriebsorganisation und insgesamt zur Technikgeschichte erreicht werden konnte, so die Fachleute.
Die Strukturen der Eisenzeit fanden dabei internationale Beachtung in der Fachwelt, weil die Ausgrabungen gleich zwei nah beieinanderliegende Verhüttungsöfen samt weiteren Betriebseinrichtungen freilegten. »Die Ausgrabungen am Gerhardsseifen waren der Höhepunkt unserer archäologischen Forschungen zur keltischen Eisenproduktion im Siegerland«, so Prof. Dr. Thomas Stöllner vom Deutschen Bergbau-Museum Bochum. »Die Auswertung der Ausgrabungen ermöglichte uns erstmals die Produktionsmengen der Eisenzeit abzuschätzen. Allein am Gerhardsseifen muss über eine Tonne an Stahl hergestellt worden sein. Dass wir aus dem Grabungsplatz auch einen Ort des Wissenstransfers für die Öffentlichkeit machen, konnten wir bei den damals von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Forschungsarbeiten nicht ahnen. Es schön, dass dies nun gelungen ist«, so der Projektleiter.
Besucherströme am Ausgrabungsort
Der Höhepunkt der archäologischen Ausgrabungen 2012 war zugleich ein Wendepunkt für den Fundplatz: »Regelrechte Besucherströme bestaunten die gut erhaltenen Befunde der Ausgrabung, und uns war klar, dass wir diese einzigartige Situation der Nachwelt erhalten und präsentieren müssen«, so Steffen Mues, Bürgermeister der Stadt Siegen »Nirgendwo im Siegerland gab es für die Öffentlichkeit die Möglichkeit, eine originäre Ausgrabung mit bedeutenden Befunden zur Hüttengeschichte zu besuchen.«
Das große öffentliche Interesse mit dem Wunsch zum Erhalt und der Präsentation der Ausgrabung bewirkte, dass die Ausgrabung gestoppt und die gut erhaltenen Strukturen konserviert wurden.
Ein langer Prozess
Dann begann ein aufwändiger Prozess: Der Schulterschluss von Archäolog:innen mit Vertreter:innen der Politik von Kreis und Stadt und vielen Ehrenamtlichen führte 2013 zur Entwicklung eines Konservierungs- und Präsentationskonzeptes. Wichtiges nächstes Zwischenergebnis war 2018 die Gründung des Trägervereins »Ein Siegerländer Tal e.V.«. Beteiligt waren die Heimatvereine Gosenbach, Niederschelden, Niederschelderhütte, Mudersbach und Brachbach, Vertreterinnen und Vertreter der Ortsgemeinde Mudersbach, des Heimatbundes Siegerland-Wittgenstein, aber auch engagierte Einzelpersonen.
Der Trägerverein wurde zum maßgeblichen Akteur und erreichte auch die finanzielle Förderung des Projektes, u.a. durch die NRW-Stiftung und die heimische Wirtschaft. Zudem wirkten Mitglieder des Trägervereins zusammen mit der LWL-Archäologie an der Gestaltung der kulturtouristischen Präsentation der archäologischen Befunde mit, die nun in einem Schutzbau präsentiert werden. Da die archäologischen Befunde unzugänglich sind, werden sie den Besuchenden mittels einer Licht-Audioshow vorgestellt. Die Präsentation startet auf Tastendruck.
Die archäologische Ausgrabung im Schutzbau ist zudem in einem Themenwanderweg eingebettet: den »EisenZeitReiseWeg«. Beginnend vom Parkplatz, nahe dem Sportplatz des SUS Niederschelden, führt er zum Schutzbau von der Gegenwart zurück bis in die Zeit der Kelten. Neben Info-Tafeln liefert die »Ofensau Frieda« Wissenswertes auch für kleine Besucher:innen.
Der Begriff »Ofensau« meint in der Fachsprache eigentlich den Schlackenklotz, der nach der Verhüttung im Ofen bleibt. In der Kinderspur wurde aber aus dem Fachbegriff eine lebenslustige Akteurin, die Kindern die Themen des Wanderweges auf ihre Interessen ausgerichtet vermittelt und dabei zum Mitmachen und Nachdenken anregt.
Parallel zur Realisierung des Schutzbaus und des Themenwanderweges legten die Forschungskooperationspartner die Ausgrabungsergebnisse in Buchform vor. Gefördert durch die LWL-Altertumskommission für Westfalen entstand darüber hinaus eine populärwissenschaftliche Broschüre zum Gerhardsseifen. Außerdem erläutert ein YouTube-Film des Deutschen Bergbau-Museums die Verhüttungstechnik der Eisenzeit anhand der Grabungen am Gerhardsseifen sowie auf Grundlage erfolgreicher archäologischer Experimente mit einem Nachbau des Verhüttungsofens.