Verwandtschaftsbeziehungen in der eisenzeitlichen Holzsargkultur Thailands
Laubwälder und immergrüne Wälder dominieren die Kalkstein-Karstformationen des nordwestlichen Hochlands von Thailand. Die Berge sind von einer Vielzahl von Höhlen und Felsunterständen durchsetzt. In über 40 dieser Höhlen in der Provinz Mae Hong Son befinden sich große Holzsärge auf Stelzen, die zwischen 2.300 und 1.000 Jahre alt sind. Während der Eisenzeit wurde jeder einzelne dieser Särge, die bis zu mehrere Meter lang sind, aus einem einzigen Teakbaum gefertigt und an den Griffen an beiden Sargenden mit kunstvollen Schnitzereien mit geometrischen, tier- oder menschenähnlichen Formen versehen.
Diese archäologischen Fundstücke stehen bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten im Mittelpunkt des Forschungsprojekts »Prehistoric Population and Cultural Dynamics in Highland Pang Mapha« (Prähistorische Bevölkerungs- und kulturelle Dynamik im Hochland von Pang Mapha), das von der Archäologin Rasmi Shoocongdej, einer Professorin an der Silpakorn Universität, geleitet wird. „Ziel unserer Forschung ist es, die Beziehung zwischen Mensch und Umwelt in den saisonalen Tropen zu untersuchen. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Erforschung sozialer Strukturen dieser prähistorischen Gemeinschaften und ihrer Verbindungen zu anderen damals in dieser Region lebenden Gruppen", so Rasmi Shoocongdej.
Um das genetische Profil der Gemeinschaften der Log Coffin-Kultur zu verstehen und herauszufinden, ob und wie die Menschen, die in verschiedenen Höhlen bestattet wurden, miteinander in Kontakt standen, hat ein interdisziplinäres Forscherteam aus Deutschland und Thailand jetzt die DNA von 33 Menschen aus fünf Log Coffin-Stätten analysiert.
Die aktuelle Studie identifiziert zwei separate Abstammungslinien von Landwirtschaft betreibenden Gruppen. Eine davon führt ins Tal des Jangtse-Flusses, die andere ins Tal des Gelben Flusses in China. Bereits frühere genetische Untersuchungen von bronze- und eisenzeitlichen Individuen aus Myanmar, Laos und Vietnam haben auf eine mit dem Gelben Fluss verbundene Abstammung hingewiesen. Bei Individuen gleicher Zeitstellung aus Ban Chiang im Nordosten Thailands fehlen hingegen diese Hinweise. Diese genetischen Unterschiede spiegeln auch kulturelle Unterschiede zwischen den beiden Regionen wider, beispielsweise hinsichtlich der Bestattungspraktiken und der Ernährungsweise und deuten auf getrennte Einflussbereiche und Migrationsrouten bereits während der Jungsteinzeit hin.
„Unsere Studie trägt weitere Details zu dem sich abzeichnenden Bild von einer komplexen genetischen Landschaft auf dem Festland Südostasiens nach der Jungsteinzeit bei. Während die aktuelle Studie DNA-Proben aus Kalksteinhöhlen aus dem nordwestlichen Hochland Thailands untersucht hat, scheint für zukünftige Studien ergänzend die Analyse von DNA-Proben aus archäologischen Fundstätten im Tiefland vielversprechend. Möglicherweise können diese dann weitere interessante Einblicke in die genetische Geschichte des südostasiatischen Festlands geben", sagt Co-Autor Wibhu Kutanan, Wissenschaftler an der Naresuan Universität in Thailand, der an der Konzeption der Studie beteiligt war.
Die aktuelle Studie ermöglichte erstmals die detaillierte Analyse einer sozialen Gemeinschaft aus Thailands Eisenzeit. Um die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen verschiedenen Individuen zu analysieren, untersuchte das Team genetische Regionen, die jeweils bei zwei Individuen identisch waren, weil sie von einem gemeinsamen Vorfahren beider Personen stammten. Die Analyse so genannter IBD-Segmente (»identical-by-descent” = «identisch durch Abstammung”) hilft bei der Rückverfolgung komplexer biologischer Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb einer Fundstätte sowie regional und überregional – eine neue Methode, die in archäogenetischen Studien zu Südostasien bisher noch nicht angewendet wurde. So ist es den Forschenden gelungen, enge genetische Verwandte zu identifizieren, die im selben Höhlensystem bestattet wurden, wie beispielsweise Eltern und ihre Kinder oder Großeltern und ihre Enkelkinder. Dieses Cluster von eng miteinander verwandten Individuen war auch entfernt verwandt mit allen anderen an derselben Stätte bestatteten Personen.
Einerseits deutet dies auf eine Berücksichtigung der engen genetischen Verwandtschaft bei der Auswahl des Bestattungsortes hin. Andererseits zeigt die genetische Verwandtschaft zu Menschen über verschiedene Log Coffin-Fundstätten hinweg – auch wenn diese Menschen weniger eng miteinander verwandt waren – dass es sich um bei den mit der Log Coffin-Kultur assoziierten Gruppen um eine große Gemeinschaft handelte, die über verschiedene Flusstäler hinweg miteinander in Verbindung gestanden haben.
Publikation
Genomic portrait and relatedness patterns of the Iron Age Log Coffin culture in northwestern Thailand
Nature Communications. 22. 22.12.2023
DOI: 10.1038/s41467-023-44328-2
https://www.nature.com/articles/s41467-0...