»Manchmal sind es die unerwarteten kleinen Funde, die die Arbeit eines Archäologen so spannend machen«, erklärt LWL-Archäologe Joris Coolen. Eine solche »Perle des archäologischen Alltags« ist der Tennisplatz, den der Experte für Bodenradarmessungen im vergangenen Jahr auf der Burg Tecklenburg wiederentdeckt hat.
Bei dem Fund handelt es sich nicht nur um einen der ältesten Tennisplätze Westfalens. Inzwischen konnte auch der ursprüngliche Besitzer Wilhelm Fisch ausfindig gemacht und das Spielfeld dank dessen Fotografien datiert werden. Coolen: »Das Besondere ist nicht nur, dass der Tennisplatz offenbar noch weitgehend erhalten ist, sondern dass wir ihn auch mit konkreten Personen in Verbindung bringen können. Das kommt in der Archäologie relativ selten vor. Die Fotos bringen den Befund zum Leben.«
Coolen: »In unseren Radardaten scheint der Tennisplatz als stark reflektierender (dunkler) Bereich auf. Demnach ist zumindest die südliche Hälfte des Spielfeldes unter der Grasnarbe erhalten.« Interessant sei, dass sich sogar einige der Linien des Spielfeldes als hellere Linien abzeichneten. Die Breite des Tennisplatzes entspricht der offiziellen Norm im Doppelspiel (10,97 Meter oder 36 Fuß). »Lediglich die über die Aufschlaglinie hinausgezogene Mittellinie ist im heutigen Tennis nicht üblich, jedoch auch auf einem der Fotos erkennbar«, meint Coolen.
Die volle Bedeutung der Entdeckung wurde erst klar, nachdem Coolen durch Hinweise aus der Bevölkerung auf die Fotos des Justizrats Wilhelm Fisch gestoßen war. Coolen: »Wie es der Zufall will, entwickelte die Familie Fisch, der das Anwesen damals gehörte, nicht nur früh eine Leidenschaft für das Tennisspiel. Herr Fisch war auch ein sehr früher Amateurfotograf.« In seinem Nachlass, der sich heute im Besitz seiner Urenkelin Lisa Volkamer befindet, tauchten etliche Fotos aus der Zeit um 1900 auf, welche die Familie Fisch mit Freunden beim Tennisspiel zeigen.
Die Fotos von Wilhelm Fisch entstanden zwischen 1889 und 1907. »Seine Bilder geben einen faszinierenden Einblick in den Alltag einer großbürgerlichen Familie um die Jahrhundertwende«, so Coolen. Auch Lisa Volkamer, die Kunstlehrerin und Fotografin ist, zeigt sich begeistert von den Bildern ihres Urgroßvaters: »Ich wollte immer gern mal für eine Woche in diese Zeit reisen. Das geht ja leider nicht, aber anhand der Orte, die man in unserem Garten, im Haus und auf der Burg überall wiedererkennt, kann man sich die Zeit ganz gut vorstellen.«
Wie fröhlich es bei den Fischs zuging, sieht man auf den Bildern der Tennisrunden auf dem zweiten Burghof. Das britische »lawn tennis« (Rasentennis) breitete sich erst ab etwa 1880 auf dem europäischen Festland aus. Es war nicht zuletzt deshalb ein beliebter Zeitvertreib der Oberschicht, da es von Anfang an von Damen und Herren gemischt gespielt wurde. »Das Spiel bot also eine willkommene Möglichkeit zu einem ungezwungenen Kontakt zwischen den Geschlechtern«, erklärt Coolen. »Die Bowle, die auf manchen Bildern zu sehen ist, tat wohl ihr Übriges.«
Aus den Fotounterschriften geht hervor, dass der Tennisplatz der Fischs bereits vor 1900 angelegt wurde. Neben dem Tennisplatz stand ein kleiner Pavillon, der offenbar mindestens einmal umgestellt wurde. Im Hintergrund sind die Burgmauern und das Krönchen (ein Rest der ehemaligen Hauptburg) vor der ersten Restaurierung in den 1930er Jahren zu sehen.
Eigentlich zielten die Messungen der LWL-Archäologen vor allem auf Reste der mittelalterlichen Burg ab, die der Stadt Tecklenburg zu ihrem Namen verhalf. Auf Fundamente der Burg stieß das Team der Prospektionsabteilung der LWL-Archäologie für Westfalen bei seinen Radarmessungen auch tatsächlich. Eine Datierung stehe aber noch aus. Coolen: »Für die Forschung sind die Fundamente der Burg vielleicht wichtiger. Auf alte Burgmauern stoßen wir bei unserer Arbeit aber häufiger; einen Tennisplatz der Jahrhundertwende hatten wir dagegen noch nicht.«