Das Mittelmeer als Kulturraum hat prägende Bedeutung bei der Beschäftigung mit dem Transfer von Menschen, Gütern und Ideen, weswegen das Phänomen "Hafenstadt" in der altertumswissenschaftlichen Forschung ein gewisser Schwerpunkt zukommen sollte. In der Tat haben sich eigene Spezialdisziplinen etwa in der Geographie und Geoarchäologie zu Küstenverläufen und anderen naturräumlichen Voraussetzungen für die Entstehung von Häfen und Hafenstädten entwickelt.
Städte, Städtebau und zuletzt auch "Stadtkultur" gehören seit langem zu den zentralen Forschungsfeldern der Altertumswissenschaften. Deshalb überrascht es, dass die Hafenstadt als Sonderform und zugleich als besonders charakteristische Erscheinung antiker und byzantinischer Stadtkultur mit bedeutenden Zentren wie Karthago, Milet, Byzanz-Konstantinopel oder Alexanderia bisher kaum Aufmerksamkeit erfahren hat. Es fehlt eine ganzheitliche Betrachtung von Hafenstädten und maritimen Netzwerken in größeren räumlichen und architektonischen Rahmen.
Dafür gibt es unterschiedliche Gründe: Zahlreiche antike Hafenstädte sind aufgrund von Verlandung und Veränderungen in den Küstenverläufen heute nicht mehr unmittelbar als solche zu erkennen. Zudem sind Hafenbauten häufig schlecht erhalten, schwer nachweisbar und typologisch nicht umfassend kategorisiert bzw. kategorisierbar.
Zielsetzung des Kolloquiums ist es daher, eine Diskussion von Häfen und Hafenbauten als Elemente übergeordneter städtischer und landschaftlicher Räume unter funktionalen und symbolischen Gesichtspunkten anzuregen. Wesentliche Fragen in diesem Zusammenhang betreffen die Lage und Gestaltung von Häfen und Hafenanlagen als Elemente des Städtebaus in antiker und byzantinischer Zeit, ihren Stellenwert in der politischen und wirtschaftlichen Organisation der Städte, die Bedeutung der Gestaltung von Hafenanlagen für die Wahrnehmung des Verkehrs-, Kommunikations- und Militärraumes "Meer", die Rolle von Häfen und Hafenstädten bei der Ausprägung von Mikroregionen und übergeordneten Netzwerken sowie die bewußte Auseinandersetzung des Menschen mit naturräumlichen Gegebenheiten bei der Anlage, Gestaltung und Pflege von Häfen. Denn die ganzheitliche Betrachtung von Häfen und Hafenstädten als kulturgeschichtliches Phänomen kann nur in der engen Zusammenarbeit von archäologischen, historischen, geographischen und ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen gelingen. Auch in diesem Punkt bietet das Kolloquium erhebliches Innovationspotential.
In der bewußt gewählten Kombination neuer Projekte mit übergeordneten Forschungsansätzen soll es gelingen, Denkanstöße zu liefern und am Ende der Veranstaltung einen Katalog von Fragen und Methoden zu formulieren, die in Zukunft den Austausch zwischen verschiedenen Projekten und Forschungsansätzen erleichtern sollen.
Die Tagung ist eine Kooperation zwischen dem Deutschen Archäologischen Institut Istanbul, dem Koç University´s Research Center for Anatolian Civilizations (RCAC), dem Römisch-Germanischen Zentralmuseum, dem Österreichischen Archäologischen Institut und dem Istanbul Archaeology Museum. Gefördert wird sie von der Fritz-Thyssen-Stiftung und der Ephesus Foundation.