Bevor es an allerdings die Rekonstruktionsarbeiten geht, müssen noch wissenschaftliche Fragen geklärt werden: Ein 15-köpfiges Archäologen-Team des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) untersucht bis Herbst dieses Jahres auf einer Fläche von 6.000 Quadratmetern die Westseite des ehemaligen 18 Hektar großen Römerlagers, den letzten noch unbekannten Teil des Militärkomplexes. Die Grabungsergebnisse bilden dann die Grundlage für ein großen archäologisches Museumsprojekte in Nordrhein-Westfalen: Auf dem Außengelände des Römermuseum Haltern wird nach und nach ein Teil der ehemaligen römischen Bebauung rekonstruiert.
Im Fokus der nun beginnenden Grabungskampagne stehen neben dem große Westtor der Anlage die hoffentlich noch vorhandenen Reste der römischen Umwehrungsanlage. Hier erhoffen sich die Forscher Antworten auf die Beschaffenheit der Spitzgräben und der Wehrmauer, ihre ursprüngliche Höhe und ihren Verlauf. »Eventuell werden wir sogar auf die Wallstraße, die sogenannte «via sagularis» stoßen«, hofft Grabungsleiterin Dr. Bettina Tremmel. Wertvolle Informationen halten womöglich auch Abfallgruben bereit, die im Lagerinneren nahe den Befestigungsbauwerken zu erwarten sind. »Am Inhalt der Gruben können wir viel über den Alltag der römischen Legionäre, die Wirtschaftsstruktur des Lagers oder Art und Herkunft der Konsumgüter hier in Haltern lernen«, so die LWL-Archäologin. Später werden weitere Grabungen im früheren Innenbereich des Lagers folgen.
War der römische Militärkomplex in Haltern tatsächlich das in der antiken Literatur beschriebene Aliso? Und damit auch der letzte Stützpunkt, den die Römer nach der Niederlage in der Varusschlacht 9 n.Chr. noch gehalten haben? »Die Gleichsetzung von Aliso mit Haltern durchzieht die Forschungsgeschichte dieses Römerlagers seit Beginn der Ausgrabungen vor 111 Jahren«, so Museumsleiter Aßkamp. »Die Details aus der schriftlichen Überlieferung passten schon immer auf Haltern. Mittlerweile können wir auch von archäologischer Seite die Aliso-These bekräftigen.« Denn laut der Schriftquellen bestand das Lager Aliso bis 16 n.Chr. fort und wurde im Winter 9/10 n.Chr. von Germanen belagert.
In Haltern belegen nun unter anderem germanische Skelette aus einem Töpferofen und die Überlagerungen von Grabanlagen in der Gräberstraße, dass dieser Stützpunkt tatsächlich noch über das Jahr 9 n.Chr. hinaus mit römischen Soldaten besetzt war. Außerdem deuten nachträgliche Sperrvorrichtungen an Süd- und Osttor wie auch unmittelbar südlich des Hauptlagers geborgene Geschosse wie Schleuderbleie, Steinkugeln und dreiflügelige Pfeilspitzen auf eine Belagerung hin.
Das Westtor und ein Teil der angrenzenden Wehrmauer werden voraussichtlich ab 2014 an ihrem Originalstandort und in Originalgröße rekonstruiert. Später sollen auch Teile der Innenbebauung wieder errichtet werden - sobald die archäologischen Untersuchungen die nötigen Informationen geliefert haben.