Forscher:innen des Österreichischen Archäologischen Instituts der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) untersuchten in einem Kooperationsprojekt mit der Stanford University und der Universidad Complutense de Madrid Amphoren, die in vorrömischer, römischer und byzantinischer Zeit für den Transport von Gütern im gesamten Mittelmeerraum – von Portugal bis zum Schwarzen Meer und zur Levante – eingesetzt wurden.
»Die hohe Anzahl an Transportamphoren, die als archäologische Funde zur Verfügung stehen, bietet die Möglichkeit, mehr über die Wirtschaft in der Zeit vom 1. Jahrtausend v. Chr. bis zum 15. Jahrhundert n. Chr. zu erfahren«, sagt der Madrider Archäologe Horacio González Cesteros. »Wir verstehen nun besser, wie landwirtschaftliche Massenprodukte verpackt und effizient über große Entfernungen transportiert wurden.« Die Ergebnisse stellt das Team aktuell in einer Publikation im Verlag der ÖAW vor.
Darin beschreiben die Forscher:innen, dass die Produktion der Transportgefäße für flüssige und halbflüssige Waren einem stetigen Standardisierungsprozess unterworfen war. So existierten Standardformen, die beispielsweise gut von einer Person alleine zu tragen waren oder sich für den Transport per Land, Fluss oder Meer gleichermaßen eigneten. Vergleichbar mit heutigen Frachtcontainern, wie den bekannten ISO-Containern auf Schiffen, Zügen und Lastwägen, war der Grund dafür vor allem eine effiziente Transportlogistik sowie die optimale Abstimmung von Produktions- und Absatzprozessen. Die Ergebnisse geben damit auch Einblick in die starke Vernetzung und hohe Komplexität der damaligen Wirtschaft.
Mit spanischem Olivenöl Germanien erobert
Das internationale Team untersuchte in mehreren Case Studies Transportamphoren aus unterschiedlichen Produktionsstätten aus vorrömischer, römischer und byzantinischer Zeit. Dabei wurden jeweils die Form, das Fassungsvermögen, Stempel und Beschriftungen, Materialzusammensetzung und Handwerkstechniken der Amphoren ermittelt und verglichen. Die Forscher:innen setzten diese Ergebnisse dann in Beziehung zu regionalen Entwicklungen und historischen Ereignissen.
So lässt sich ein Anstieg der Produktion von Amphoren für Olivenöl in Südspanien durch die römische Eroberung Germaniens erklären. Die Ankunft einer großen Anzahl von Soldaten an der Nordgrenze des Römischen Reiches in augusteischer Zeit hatte einen direkten Einfluss auf die dortige Olivenölproduktion, da die Versorgung der Truppen mit Öl, Wein und anderen Mittelmeerprodukten gewährleistet werden musste.
Steigende Nachfrage im Römischen Imperium
Produktionsstätten passten sich also an veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen an. Erhöhte Nachfrage führte dazu, dass neue Amphorenformen eingeführt wurden und variantenreichere lokale Formen nicht mehr produziert wurden. Das Verhältnis von Volumen zu Gewicht wurde regelmäßig erhöht, um die starke Nachfrage eines wachsenden Römischen Imperiums nach Waren aus den Provinzen zu befriedigen. Geliefert wurde in die gesamte damals bekannte Welt – sogar bis nach Indien.
»Von einer »industriellen« Produktion im heutigen Sinn kann man trotzdem nicht sprechen,« erklärt Horacio González Cesteros, der vor seinem Wechsel nach Madrid an der ÖAW in Wien forschte. »Die Standardisierung der Amphoren ging nicht mit Industrialisierung, extremer Spezialisierung und Massenproduktion einher. Denn anders als heute wurden die Produkte von den Töpfern handgefertigt, womit eine gewisse Abweichung vom Standard unvermeidbar war.«
Je nach Art des Produkts wurde übrigens eine andere Form der Transportamphore gewählt. Während Wein in zylindrischen Amphoren transportiert wurde, waren Amphoren für Öl häufig bauchig. Die durchschnittliche Kapazität für Amphoren umfasste beeindruckende 20 bis 30 Liter.
Der kürzlich gemachte Entdeckung eines Schiffswracks aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. im Meer nördlich von Rom, auf dem hunderte Amphoren waren, zeigt, dass es entlang der antiken Seehandelswege immer noch neue Funde zu entdecken gibt. Die fast unversehrte Ladung mit Amphoren bietet Archäologen und Archäologinnen neues Material, um das antike Wirtschaftssystem weiter zu erforschen.