"Was wir vor allem zahlreich entdecken, sind die Spuren der Löcher, die die Pfosten der mittelalterlichen Holzhäuser im Boden hinterlassen haben", erklärt Grabungsleiter Sebastian Luke. Er ist angestellt bei einer Grabungsfachfirma und im Auftrag der Stadt Harsewinkel vor Ort. "Die Pfosten wurden vor etwa 1.000 Jahren in den Boden gegraben und trugen die Dächer", so Luke weiter. Über einen Zeitraum von etwa 400 Jahren existierte hier eine Siedlung mit mehreren Höfen, vermuten die Experten. Mittelalterliche Holzhäuser überdauerten nur etwa 50 Jahre. Daher lässt sich gut nachvollziehen, wie sich im Laufe des halben Jahrhunderts, in dem die Siedlung bestand, der Hausbau veränderte, da immer wieder neu gebaut wurde.
Am Anfang der Siedlungsentwicklung steht ein schiffsförmiger Hausgrundriss des 9. oder 10. Jahrhunderts. Dieses Haus war etwa 37 Meter lang und an den außen gebogenen Längsseiten bis zu 6,5 Meter breit. Einzelne Pfosten in der Mittellinie des Hauses stützten zusätzlich das wahrscheinlich mit Stroh gedeckte Dach. Die Schmalseite des Hauses war bewusst so ausgerichtet, dass sie der Hauptwindrichtung nur eine geringe Angriffsfläche bot. Südlich des Hauses liegt ein etwa 15 Quadratmeter großes Nebengebäude, das wahrscheinlich ebenso früh entstand. Eine genaue Datierung werden die Fachleute aber erst nach der Ausgrabung und der anschließenden Durchsicht der Funde ermitteln können.
"Nördlich dieses Hofes entstanden in den folgenden Jahrhunderten zwei weitere Pfostenhäuser, die sich teilweise überschneiden und deshalb wohl als eine Abfolge von Häusern desselben Hofes anzusehen sind", vermutet Dr. Sven Spiong, Leiter der zuständigen Außenstelle der LWL-Archäologie in Bielefeld. Der Hof wurde vom 9. bis ins 12. Jahrhundert hinein immer wieder an derselben Stelle erneuert. Die Größe der Häuser zu verschiedenen Zeiten variieren: Während das nördlichste der drei Häuser nur etwa halb so lang wie das schiffsförmige Haus war, war das vermutlich jüngste Gebäude wieder etwas größer. "Auffällig ist für uns auch, dass dieses Haus bereits rechteckige Pfostenlöcher für vermutlich deutlich stärker bearbeitete Holzpfosten hatte,", so Spiong. Die Archäologinnen schließen daraus, dass die Balken des Hausgerüstes stärker miteinander verzimmert waren.
Das jüngste Gebäude der Siedlung lässt sich durch Bodenspuren von nur etwa 8 Quadratmetern erkennen: ein kleiner Keller aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Er gehörte offenbar zu einem Haus, das keine weiteren Spuren im Boden hinterlassen hat. Grabungsleiter Luke erklärt den Grund: "Zu dieser Zeit wurden die Pfostenhäuser auch im ländlichen Bereich allmählich von Fachwerkhäusern abgelöst. Da deren Hausschwellen nicht tief in den Boden reichten, wurden sämtliche Spuren solcher Gebäude durch das Pflügen beseitigt." Am Nordrand der Fläche deutet sich noch ein weiterer Hofplatz mit mindestens zwei Pfostenhäusern an, ganz im Osten befinden sich die Spuren eines weiteren Hauses. Ein siebter Hausgrundriss liegt im Südwesten des freigelegten Bereiches.
Funde aus jüngerer Zeit sind den Experten aus dem Siedlungsbereich bisher nicht bekannt, sodass die entdeckten Höfe im 12. Jahrhundert vermutlich aufgegeben wurden. "Da sich in dem bisher aufgedeckten Teilausschnitt bereits mindestens drei Hofstellen zu erkennen geben, müssen wir von einer für damalige Verhältnisse ansehnlichen Siedlung ausgehen, über die aus Schriftquellen bisher nichts bekannt war", sagt Spiong.
Bisher wurden die Pfostenlöcher sowie die Kellergrube von den Archäologen untersucht, die Arbeiten dauern allerdings noch an. Mit Spannung erwarten die Fachleute daher nun die Funde aus den Grubenverfüllungen. Gefunden wurden bereits einige Keramikscherben, die den Experten bei der Datierung der einzelnen Häuser helfen werden. Außerdem lässt sich dank einer Vielzahl gefundener typischer Schmiedeschlacken mindestens eine Schmiede nachweisen, die über längere Zeit vor Ort betrieben wurde.
Abschließend werden die Forscher versuchen, die Ursachen für den Untergang der Siedlung zu ergründen. Der bisher vermutete Zeitpunkt für die Aufgabe der Höfe um 1200 könnte damit zusammenhängen, dass sich in dieser Zeit allmählich die Siedungsentwicklung um den Kirchhof und am bischöflichen Haupthof konzentrierte.
In gemeinsamer Betrachtung mit älteren archäologischen Ergebnissen aus den 1950ern lässt sich allerdings bereits sagen, dass es sich bei dem Gebiet um Harsewinkel herum bereits im Frühmittelalter um eine ausgeprägte Siedlungslandschaft handelte.