Die Rückgabe spiegelt das Positionspapier der Staatlichen Museen zu Berlin in Bezug auf Antiken, in dem sich die archäologischen Sammlungen zu einem transparenten Umgang mit ihren Beständen und zu einer kritischen Aufarbeitung ihrer Provenienzen bekennen.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth sagte dazu: "Diese Rückgabe ist ein weiteres Beispiel für die Wirksamkeit des Kulturgutschutzes in Deutschland und Europa. Zudem zeigt die heutige Rückgabe, was Kulturgutschutz konkret bedeutet: Es geht darum, identitätsstiftende Kulturgüter vor Plünderungen und Raubgrabungen, vor Diebstahl, Schmuggel und illegalem Handel zu schützen. Besonders wichtig ist dabei eine enge Kooperation auf europäischer und internationaler Ebene. Die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Italien ist auf diesem Feld ein Musterbeispiel – bisher gab es mit keinem anderen Land so viele Rückgaben illegal gehandelter Kulturgüter wie mit Italien."
"Das freiwillige Angebot der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zur Rückgabe von 25 archäologischen Objekten und die Vereinbarung über langfristige Leihgaben des Archäologischen Nationalmuseums Neapel (MANN) und der archäologischen Parks von Paestum und Velia haben eine Tradition des kulturellen Dialogs zwischen Italien und Deutschland gefestigt, deren Wurzeln in einer Vergangenheit des Austauschs und langjähriger künstlerischer und literarischer Erfahrungen liegen, durch die die beiden Nationen eine gemeinsame Identität aufgebaut haben.", erklärte der Kulturminister Italiens, Gennaro Sangiuliano.
"Wir sind überzeugt, dass es richtig ist, diese Objekte zurückzugeben. Das hat auch der Stiftungsrat so gesehen und ich freue mich, dass wir so dieses seit Jahren mit italienischen Behörden diskutierte Thema zu einem positiven Abschluss bringen und die Zusammenarbeit mit Italien intensivieren können. Eine solche offene, partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Austausch von Wissen und Leihgaben ist ein Zukunftsmodell, gerade im Bereich der Antiken.", erläuterte Hermann Parzinger, Präsident der SPK, den Schritt.
Mit dem italienischen Kulturministerium sowie mit den Archäologischen Nationalmuseen von Neapel und Paestum wurde vereinbart, dass zunächst zwei bemalte Platten lukanischer Gräber mit Darstellungen von Kriegern sowie bronzene Schutzwaffen – Panzer und Helm – aus dem 4. Jh. v. Chr. für mehrere Jahre nach Berlin entliehen werden. Die Objekte illustrieren die intensiven, häufig kriegerischen Kontakte zwischen Griechen und indigenen italischen Völkern im Süden der Apenninenhalbinsel zu jener Zeit. Insbesondere die Gattung der Malereien ist im Bestand der Berliner Antikensammlung überhaupt nicht vertreten und bereichert deren Bestände in hervorragender Weise.
Die apulischen Vasen
Bei den apulischen Vasen handelt es sich um 21 Objekte – Kratere, Amphoren, eine Hydria, Skyphoi und Teller – aus dem 4. Jh. v. Chr., die das West-Berliner Antikenmuseum 1984 als Konvolut aus dem Schweizer Kunsthandel erwarb und die die Inventarnummern 1984.39 bis 1984.59 tragen.
Diese Tongefäße sind in der Technik der rotfigurigen Vasenmalerei hergestellt, die sich im späten 6. Jahrhundert v. Chr. entwickelte und zunächst auf Athen konzentriert war. Im Süditalien, im heutigen Apulien, fanden sie durch eingewanderte attische Handwerker ab dem 5. Jh. große Verbreitung. In den folgenden Jahrhunderten entwickelte sich am Golf von Tarent ein ganz eigener Stil und es wurden immer anspruchsvollere Vasen hergestellt. Meist paarweise zusammengehörend, sind sie mit reichen Szenen aus der griechischen Mythologie und mit Darstellungen von Grabmalen verziert. Die Vasen dienten als reine Grabausstattung und wurden häufig zusammen mit einheimischer Keramik in reichen Gräbern aufgestellt. Bei den Objekten aus dem Berliner Komplex ist bis heute nicht vollkommen klar, woher genau sie stammen. Die Nekropole dürfte wohl im Norden Apuliens zu suchen sein, wo das einheimische Volk der Daunier siedelte. Die Vasen lassen sich in die Zeit um 340 v. Chr. datieren und ganz bestimmten Werkstätten zuschreiben, in der einige der bedeutendsten Künstler der damaligen griechischen Welt arbeiteten. Einen von ihnen benennt die archäologische Forschung mit dem Hilfsnamen Dareios-Maler.
Die 21 Objekte wurden 1984 von Antikenmuseum der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz bei dem Baseler Kunsthändler Christoph F. Leon erworben. Beim Ankauf wurde als Vorbesitzer eine Familie Cramer in Genf angegeben, in deren Besitz sich die Objekte seit 1889 befunden hätten. Ein Gutachter hatte zudem angegeben, die Objekte seit 1972 zu kennen.
Heute geht die SPK davon aus, dass die apulischen Vasen mindestens teilweise aus Raubgrabungen stammen. Erste Zweifel an der Provenienzangabe hatten sich um 1998 ergeben. Seit etlichen Jahren gab es zudem Ermittlungen der italienischen Behörden zu dem Bestand. Eine rechtliche Grundlage für eine Rückgabe liegt zwar nicht vor, denn bis heute sind die zweifelhaften Provenienzangaben nicht eindeutig widerlegt oder bestätigt. Dennoch hat sich die SPK aufgrund der zahlreichen vorliegenden Hinweise dazu entschlossen, die Objekte nach Italien zurückzugeben.
Im Falle von vier Volutenkrateren gibt es klare Hinweise darauf, dass sie aus Raubgrabungen stammen. Von diesen vier Krateren wurden Polaroid-Fotos im Genfer Kontor des Kunsthändlers Giacomo Medici gefunden, auf denen sie in fragmentarischem Zustand zu sehen sind. Die Fotos stammen sicher aus der Zeit nach 1972. Über Medici ist mittlerweile bekannt, dass er in erheblichem Umfang mit Kulturgut aus Raubgrabungen gehandelt hat. Die Verbindung der vier Vasen zu Medici spricht bei diesen vier Objekten sicher für einen Zusammenhang mit Raubgrabungen.
Zu den übrigen 17 Objekten gibt es kein vergleichbares Beweismaterial. Allerdings ist auch bei ihnen von einer Raubgrabung auszugehen, da sie wohl aus demselben Grabkontext stammen. Lange Zeit bestanden genau daran Zweifel. Übereinstimmungen in Chronologie, Ikonographie und Stil sprachen zwar dafür, allerdings schien es unwahrscheinlich, dass so viele Vasen in einem einzigen Grab gefunden worden sein sollen. Jüngere Funde und Forschungen liefern hierfür jedoch einige Beispiele. Als Herkunftsort dürfte die antike Stadt Arpi im Norden Apuliens, nahe der Provinzhauptstadt Foggia, am ehesten in Frage kommen. Dieses Zentrum des indigenen Volksstammes der Daunier war in den vergangenen Jahrzehnten besonders intensiven Raubgrabungen ausgesetzt.