Unterstützt von ehrenamtlichen, ortsansässigen Tauchern, die teilweise von ihm in einem von der Inselregierung finanzierten Crashkurs für unterwasserarchäologische Aufgaben geschult wurden, untersuchte Dr. Hermanns die drei Bleibarren. Ein viertes Exemplar war bereits früher als Zufallfund geborgen worden. Bei den Schriftzeichen auf der Oberseite von zwei der insgesamt vier bekannten Barren handelt es sich um Silbenzeichen des Iberischen Alphabets der sogenannten Nord-Ost-Gruppe. "Die Schriftzeichen müssen kurz nach dem Guss in das noch weiche Material eingebracht worden sein", erklärt der Unterwasserarchäologe, "demnach handelt es sich sicherlich mehr um produktionstechnische als um handelstechnische Angaben". Gedeutet werden können die Schriftzeichen zwar nicht, ihre Datierung auf das Ende des 3. Jahrhunderts vor Christus, die Zeit des zweiten punischen Krieges, wirft jedoch weitere Fragen auf: Denn Belege für einen Abbau der Silberwerke in der Sierra Morena aus dieser Zeit gibt es kaum, dafür aber aus dem Bergbaugebiet um Cartagena im Osten der iberischen Halbinsel, dem Sprachraum der iberischen Nord-Ost-Gruppe. Daher vermutet der Wissenschaftler, dass das Werkblei dort zuletzt bearbeitet und gekennzeichnet wurde, bevor es an Bord eines Frachters kam, der an der Nordküste von Ibiza havarierte.
Der Zielort der Bleifracht bleibt unklar. Weshalb Blei vom spanischen Festland anscheinend zu den Inseln transportiert wurde, obwohl es auf den Balearen Silberbergwerke gab, ist noch nicht endgültig geklärt. Blei war in der Antike größtenteils ein Nebenprodukt der Silbergewinnung. Dieses wurde hauptsächlich zur Münzprägung verwendet. Dr. Hermanns vermutet daher für das Blei eine Verwendung als Rüstungsgut für die Söldnertruppen, welche die Balearen in der Antike stellten, aufgrund der Datierung also möglicherweise für den zweiten punischen Krieg zwischen Römern und Karthagern. "Mit der Untersuchung der geborgenen Bleibarren liegt ein weiterer Referenzpunkt zur Untersuchung des Metallhandels in vorrömischer Zeit im westlichen Mittelmeerraum vor", so Dr. Hermanns, "hierzu sind bisher zwar einige Fundstellen bekannt, doch lassen sich diese anhand der bisherigen wissenschaftlichen Bearbeitung nur unscharf zu einem stimmigen Bild zusammenfügen."