Wie die beiden Funde ins Nördlinger Ries gelangten, das damals von Alemannen besiedelt war und unter fränkischer Herrschaft stand, lässt sich nur vermuten. Es könnte sich um Geschenke eines Herrschers an einen wichtigen Gefolgsmann, um Tribute oder um Beutestücke aus einem Kriegszug handeln. In die Auseinandersetzungen zwischen den Ostgoten und dem Oströmischen Reich um das Gebiet des heutigen Italiens etwa waren auch Alemannen involviert.
Der Kamm stammt aus dem Grab eines etwa 40 bis 50 Jahre alten Mannes, der unter seinen Zeitgenossen als herausgehobene Persönlichkeit gegolten haben dürfte. Darauf lassen die übrigen Beigaben schließen, zu denen ein Langschwert, eine Lanze, ein Schild, eine Streitaxt sowie ein Bronzebecken zählen. Sporen und Zaumzeugreste weisen ihn als den mutmaßlichen Reiter des neben ihm in einer Grube niedergelegten Pferdes aus. Am rechten Fußende des Grabes befanden sich die Überreste einer Tasche, die neben einer Schere auch den besagten Elfenbeinkamm enthielt. Beides dürfte der Pflege von Haupt- und Barthaaren gedient haben. Kämme als Grabbeigaben kommen im Frühmittelalter durchaus häufiger vor, sind aber üblicherweise ganz anders konstruiert und nicht aus Elfenbein und nicht in dieser hochwertigen Qualität.
Elfenbeinschnitzereien des 6. Jahrhunderts sind extrem selten überliefert. Das Besondere am Deininger Kamm ist unter anderem, dass in diesen äußerst bewegte, weltliche Jagdszenen geschnitzt sind: Deutlich zu erkennen sind gazellenartige Wesen, die vor Raubtieren davon zu springen scheinen, die so in Europa nicht vorkommen. Ob der Schnitzer tatsächlich afrikanische Tiere darstellen wollte, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Die genaue Identifikation der dargestellten Spezies ist nicht zweifelsfrei möglich. "Vergleichbare Darstellungen auf einem Kamm aus diesem Zeitraum sind uns bislang nicht überliefert. Das macht diesen Fund nicht nur zu einer herausragenden archäologischen, sondern auch zu einer wichtigen kunsthistorischen Quelle", betont Dr. Johann Friedrich Tolksdorf, der zuständige Archäologe am BLfD. Der Kamm war vollständig zersplittert, sodass die erhaltenen Motive erst nach der umfangreichen Restaurierung in den Werkstätten des BLfD erkennbar wurden. Bisher sind nur äußerst wenige ähnlich gearbeitete Kämme aus dem gleichen Zeitraum bekannt. Anders als der nun gefundene zeigen sie aber allesamt christliche Motive. Sie befinden sich etwa im Pariser Louvre, im Museum in Kairo und im Vatikan.
Die Schale wurde im Grab einer etwa 30 bis 40 Jahre alten Frau gefunden, die mit Schmuck und Speisebeigaben wie Eiern sowie einem sogenannten Webschwert, das wahrscheinlich zum Anschlagen der Fäden im Webstuhl diente, beigesetzt worden war. Anders als die anderen beigegebenen Gefäße, stammt die Schale nicht aus heimischer Produktion, sondern als sogenannte African red slip ware aus einer Werkstatt im heutigen Tunesien, die diese hochwertige rote Keramiksorte herstellte. Während diese im Mittelmeerraum weit gehandelt wurde, ist der Deininger Fund der erste Nachweis einer solchen Ware in einem derart vollständigen Zustand in unseren Breitengraden.
Auffällig ist nicht nur das bereits bei der Herstellung in den Boden gestempelte Kreuz, sondern vor allem die schriftähnlichen Zeichen, die nachträglich in den Rand des Gefäßes geritzt wurden: Handelt es sich dabei um bloße Kritzeleien, um Namenszeichen oder um ornamentale oder magische Symbole? Während im Fränkischen Reich im Westen und südlich der Alpen die Schriftlichkeit der Antike mit lateinischen Buchstaben auch nach dem Zusammenbruch Roms fortbestand, gibt es im alemannischen Raum auch Runen. Diese finden sich häufig als kurze Zeichenfolgen auf Objekten und sind in ihrer Lesung nicht immer eindeutig. Überwiegend fallen sie aber in den Bereich des Formelhaften und stellen häufig wohl auch Namens- bzw. Besitzerinschriften dar. Ob sich die Schriftimitationen auf der Schale daher vielleicht an Runen anlehnen, bleibt ebenso ein Rätsel wie deren Bedeutung.
Stattgefunden haben die Grabungen in Vorbereitungen zur Erschließung eines Baugebiets der Gemeinde Deiningen. Die Kommune als Eigentümerin der Funde möchte diese künftig sowohl für die Öffentlichkeit als auch für die Wissenschaft zugänglich halten.