Bereits seit Herbst 2021 begleiteten die Archäologinnen und Archäologen den Bau mehrerer Windkraftanlagen in Erwitte. Zwar sind am Bauplatz bisher keine archäologischen Spuren bekannt gewesen, doch gutes Gespür veranlasste die LWL-Archäologie dazu, eine baubegleitende Untersuchung anzusetzen. Denn "die leichte Hanglage der Fläche, eingefasst von zwei entwässernden Bächen, ließ uns hoffen, hier fündig zu werden", erklärt LWL-Archäologin Dr. Eva Cichy.
Und tatsächlich kamen bald Siedlungsbefunde zutage, auch wenn die entdeckten Gruben zunächst einen unscheinbaren Eindruck machten: "Einige fielen durch ihre Verfüllung auf", sagt Rashida Hussein-Oglü, die die örtliche Grabungsleitung innehatte. "Die vier flach gemuldeten, runden Holzkohlegruben, erkennbar an dem hitzegeröteten anstehenden Boden, ähnelten zunächst den in Westfalen für das frühe bis hohe Mittelalter typischen Grubenmeilern", erklärt Hussein-Oglü. Diese mutmaßliche mittelalterliche Datierung bedurfte noch der Bestätigung durch naturwissenschaftliche Untersuchungen. Ein Grubenmeiler ist ein kleiner Kohlenmeiler, bei dem eine Grube in den Boden gegraben, mit Holz befüllt und mit Ästen und Reisig bedeckt wird. In ihnen wurde seit dem Altertum Holzkohle gewonnen.
Die eigentliche Überraschung kam dann in der Werkstatt beim Reinigen der Funde aus einer anderen Siedlungsgrube zutage: elf weich gebrannte Rotlehmbrocken. "Die unscheinbar anmutenden Brocken sind die Reste einer Gießerwerkstatt aus der Bronzezeit", stellt Archäologe Dr. Bernhard Sicherl fest. Er erkannte in den Brocken die Reste von Gussformen aus Ton. Und zwar Formen zur Herstellung von bronzenen Schmuckringen einer Art, die bisher in Westfalen unbekannt war. "Mit einer der Formen ließ sich ein umlaufend gerillter Halsring der späten Bronzezeit (etwa 9. Jahrhundert v. Chr.) herstellen. Naturwissenschaftliche Untersuchungen haben diese Datierung bereits bestätigt", erklärt Sicherl.
Mit der anderen Form konnte vermutlich ein ovaler Armring mit ovalem Querschnitt gegossen werden. Ähnliche Ringe wurden am Fuße des Raffenbergs in Hagen und in einem ehemaligen Gewässer in Kamen gefunden, weiß Cichy. "In beiden Fällen wurden die Ringe also nicht in Siedlungen entdeckt, sie wurden eher als Opfergabe an landschaftlich besonderen Stellen deponiert."
"Eine Werkstatt für Ringschmuck, das ist in Westfalen bisher einzigartig", freut sich Bernhard Sicherl. Eine spannende Frage bleibt offen, die auch weitere entdeckte Gruben nicht beantworten konnten: Wie war der Werkplatz in das Umfeld eingebunden? Lag er am Rand einer Siedlung und wo war diese? Diese und weitere Fragen könnten wohl nur weitere Ausgrabungen klären, die aber derzeit nicht geplant sind.