Martin studiert Kunstgeschichte, Geschichte und Archäologie an der Universität des Saarlandes. Für seine Diplomarbeit untersuchte er im April und Mai die Stadtvilla Schliemanns in Athen, die sich der Wissenschafts-Quereinsteiger von 1878 bis 1881 errichten ließ. Heinrich Schliemann (1822-1890) hatte es schwer, als er erst mit Anfang 40 ins Wissenschaftlerleben einstieg. Die etablierten Forscher an den Universitäten nahmen den enthusiastischen Autodidakten und seine Methoden nicht ernst. Ob er versuchte, diesen "Makel" nach seinen archäologischen Erfolgen mit Selbstinszenierungen beispielsweise durch die Ausstattung der Villa in Athen zu tilgen, untersucht Martin in seiner Diplomarbeit. Das Gebäude ist bisher kaum publiziert.
"In den Wanddekors der Villa sind beispielsweise Motive seiner archäologischen Funde wiedergegeben", erklärt der 29-Jährige, "zum Beispiel mykenische Goldschätze". Das Deckenfresko im Ballsaal zeigt eine Abbildung von so genannten Eroten, die archäologischen Tätigkeiten nachgehen. Zwei dieser nackten Kindgestalten tragen eindeutig die Züge von Schliemann und seiner Frau. In einer Reportage in der New York Times aus dem Jahr 1882 schildern zwei Journalisten einen Besuch bei Schliemann in dessen Villa. Er gehörte damals zur Oberschicht Athens, sprach auf seinen Soireen altgriechisch und benannte sein Hauspersonal mit antiken Namen. Ehrfürchtig schildern die Journalisten die Begegnung mit Schliemann.
"So rückte er seine archäologischen Leistungen ins rechte Licht", sagt Thomas Martin, der vor allem in der Gennadius-Bibliothek in Athen recherchierte, wo die Korrespondenzen Schliemanns lagern. Hunderte Briefe, Kostenvoranschläge und Anweisungen Schliemanns an den Architekten Ernst Ziller und andere Auftragnehmer hat er gesichtet und wertet sie in den kommenden Monaten aus. "Bei Künstlern gibt es so etwas ja häufiger, dass sich jemand ein Künstlerhaus selbst baut, als eine Art Schrein für das eigene Werk", erzählt er über seine Fragestellung. "Vor allem gegenüber den deutschen Wissenschaftlern musste sich Schliemann seinerzeit beweisen."
Der Archäologe des 19. Jahrhunderts hatte sich die Errichtung der Villa einiges kosten lassen. "Eine durchschnittliche Stadtvilla in Athen hat um 1880 etwa 80.000 Drachmen gekostet", berichtet Martin. Schliemanns Villa verschlang mit ca. 480.000 Drachmen das Sechsfache. Dabei war der Kaufmann überhaupt nicht besonders verschwenderisch. Zwar trug er für seinen Bau die edelsten und teuersten Materialien aus aller Welt zusammen, sparsam wirtschaftete er unter den gegebenen Umständen aber trotzdem."In einem Brief gibt er die Anweisung, dass das Bauholz, das für die Gerüste verwendet wurde, weiterverkauft werden soll. Auch wenn das nur ein bisschen Geld einbringt, zeigt das, dass Schliemann auch als reicher Mann durchaus aufs Geld geachtet hatte", so Thomas Martin. Vor allem die für die damaligen Verhältnisse modernsten Sicherheitselemente machten den Bau teuer. "Das Haus hat eine Eisenträger-Struktur und kein tragendes Holzgerüst wie die meisten anderen Häuser der Zeit". Auch eine Belüftungsanlage, die der gleichmäßigen Klimatisierung im Haus diente, trieb die Kosten in die Höhe.