Als die Römer Germanien eroberten, gab es keine Straßen. Truppen, Waren, Nachrichten – all das konnte nur auf einem Weg in die wilden Gebiete des Nordens transportiert werden: per Schiff. Die natürlichen Wasserstraßen – kleine und große – ersetzten den Römern die Autobahnen. Doch wie genau waren römische Schiffe – oder besser: Boote – beschaffen? Woraus waren sie gemacht? Mit welcher Technik wurden sie bewegt? Welche Geschwindigkeiten konnten sie erreichen und welche Strecken zurücklegen? Wer waren die Ruderer? Antworten auf diese Fragen sind zum Teil überliefert – doch wie fühlte sich das in der Realität an? Dem wollen Forscher der Friedrich-Alexander Universität Erlangen (FAU) um den Althistoriker Prof. Dr. Boris Dreyer gemeinsam mit Studierenden, Schülerinnen und Schülern und vielen Freiwilligen auf die Spur kommen. Gemeinsam bauen sie, mit Unterstützung der Stadt Erlangen, das römische Patrouillen- und Geleitzugboot »Fridericiana Alexandrina (Navis)“ – kurz: FAN – in Originalgröße nach. Und wollen damit Frankens Wasserstraßen unsicher machen.
Ein ambitioniertes Projekt – doch Kolleginnen und Kollegen an einer anderen Universität haben vorgemacht, dass es funktionieren kann. Dreyer will das Experiment mit neuen Fragestellungen wagen: Das Bauteam hat sich vorgenommen, nicht nur ein ganz anderes Modell zu bauen, sondern tatsächlich auch die antiken Rudertechniken zu rekonstruieren. Nur so können die Wissenschaftler erforschen, wie viel Krafteinsatz tatsächlich nötig war und auf welche Distanzen man das Boot einsetzen konnte. Vorbild sind die in Oberstimm bei Manching gefundenen Bootswracks, die dort im Kelten-Römer-Museum – ebenfalls ein Kooperationspartner des Projekts – ausgestellt sind.
Doch FAN dient nicht nur der Forschung, sondern auch einem weiteren wichtigen Ziel: Sie soll für Studierende und auch schon für interessierte Schülerinnen und Schüler das Abenteuer Geschichte greifbar und erlebbar machen. Und: Das Projekt bringt verschiedene Disziplinen der Universität zusammen – von den Historikern über die Archäologen bis hin zu den Ingenieuren der FAU.
Am 15. Dezember fiel der Startschuss für das Projekt mit dem Schlagen des ersten Baums für den Bootsbau: Die Bayerischen Staatsforsten (Forstbetrieb Nürnberg) stellen der FAU das benötigte Holz in einer großzügigen Spende zur Verfügung.
Helfer werden noch jede Menge gesucht: Eine erste Informationsveranstaltung für Studierende und andere Interessierte findet am 18. Januar 2017 in der Kochstraße 4, Zimmer 2.058, in Erlangen statt. Auch die Suche nach Sponsoren ist in vollem Gange. Der eigentliche Bau soll dann im April kommenden Jahres beginnen, voraussichtlich in der Nähe des Walderlebniszentrums oder des Erlanger Hafens. Ein Bootsbauer wird das Projekt fachlich betreuen.
Ist das Boot fertig, wird es zum 275. Geburtstag der Universität im Jubiläumsjahr 2018 seine Jungfernfahrt unternehmen und während der Sommermonate auf dem Kanal die drei Universitätsstädte Erlangen, Fürth und Nürnberg mit Fahrten verbinden, ganz im Sinne des Jubiläumsmottos »Wissen in Bewegung«. Alle interessierten Bürgerinnen und Bürger haben die Möglichkeit, an Bord dabei zu sein und auch mal selbst beim Rudern Hand anzulegen.
Info
Die Fridericiana Alexandrina (Navis)
Die Vorlage sind zwei römische Wracks, in den 1990er Jahren in Oberstimm bei Ingolstadt entdeckt wurden und in Manching ausgestellt sind. Sie stammen aus der Zeit 100 n.Chr. und sind als Patrouillen- und Geleitzugboote auf den mittelfränkischen Gewässern und entlang der Donau zur Grenzkontrolle und Vorfeldverteidigung gefahren.
Technische Daten: 15,7-16m lang, 2,7m breit; 70cm Tiefgang, mit 18-20 Ruderern, die in jeweils 89cm Abstand hintereinander saßen. Die Schnelligkeit betrug bis zu 6 Knoten, mit Segel und unter Wind noch schneller. Damit waren die Römer ihren Gegnern militärtechnisch weit überlegen.
Diagnose: Die Nut und Federbauweise der Planken entspricht der modernen Holzbootbauweise. Die Schnelligkeit ermöglichte einen raschen Informationsfluss im Falle feindlicher Angriffe, denen somit noch im Ansatz entgegen getreten werden konnte. Gleichzeitig waren mit dem technischen Wissensvorsprung Truppenverschiebungen möglich und auch Transporte (Nachschub, Handel) hinreichend gegen Attacken abgesichert.
Nachbau: Die Arbeiten haben im Dezember 2016 begonnen: Das Holz – eine Eiche, eine Tanne und zwölf Kiefern – wird im Staatswald geschlagen, getrocknet und dann an den Bauort transportiert, wo im Frühjahr 2017 der Bau in einem eigenen Bauzelt beginnt. Nach dem Vorbild werden zum Bau Eiche (Kiel und Spanten) sowie Tanne und Kiefer (Planken, Mast) eingesetzt.
Derzeit werden auch die Eisennägel von Hand nachgeschmiedet, auf der Basis der Analysen der Nägel des Vorbild-Wracks. Gleichzeitig laufen wissenschaftliche Analysen über die Herkunft des Holzes der Boote von Oberstimm, um das Wissen für den Nachbau optimal zu gestalten.
Die Bauzeit beginnt im April 2017, erstreckt sich über zwei Semester und umfasst auch die vorlesungsfreie Zeit im Sommer. Unter der Anleitung erfahrener Bootsbauer werden Erlanger Studierende aller Fakultäten diesen Bau durchführen, unterstützt von Schulen aus Erlangen, Fürth und Nürnberg sowie dem Umland, die zugleich auch das Bauumfeld gestalten und Dokumentationen vornehmen.
Der Bau ist generell für Besucher offen.
Testprogramm: Nach Fertigstellung im Frühjahr 2018 steht dem Boot ein großes Programm bevor: Mit moderner Messtechnik soll das Boot auf Schnelligkeit geprüft werden und auch weite Strecken auf der Donau zurücklegen. Dabei sollen die internationalen Partner der FAU entlang der Donau bis zum Schwarzen Meer besucht werden.
Außerdem ist ein Rendezvous mit dem »Schwesterschiff« (jetzt bei Hamburg) geplant, das unter der Leitung von Prof. Dr. Christoph Schäfer (Trier) und Dr. Ronald Bockius (Mainz) nachgebaut wurde, die wie das Museum in Manching unsere Partner sind. Vergleichsfahrten auf dem Kanal bei Erlangen sind geplant.