Seit 2021 erforscht die Vindonissa-Professur der Universität Basel in Zusammenarbeit mit dem Archäologischen Dienst Graubünden die römische Konfliktlandschaft im Gebiet des Crap Ses zwischen Cunter und Tiefencastel. Beteiligt ist dabei auch eine große Zahl ehrenamtlicher Detektorgängerinnen und Detektorgänger der Arbeitsgemeinschaft Prospektion Schweiz. Im Herbst 2023 entdeckte ein ehrenamtlicher Detektorgänger bei seinen Recherchen in der Umgebung eine auffällige Geländestruktur in der Flur Colm la Runga, rund 900 Höhenmeter über dem antiken Gefechtsfeld. Er nutzte dafür die seit Sommer 2023 freigeschalteten, hochauflösenden digitalen Geländemodelle von Swisstopo, sogenannte LiDAR-Daten (Light Detection and Ranging).
LiDAR – eine neue Dimension für die Archäologie
Die mit Laserabtastung des Bodens erzeugten Geländemodelle, kurz LiDAR genannt, führen seit längerem und weltweit zur Entdeckung bislang unbekannter archäologischer Stätten: vom Amazonas über den Dschungel Mittelamerikas bis zu abgelegenen Gebirgsgegenden Spaniens und nun auch in den Bergen von Graubünden. Möglich wird dies durch eine neue, sehr hochauflösende Generation von digitalen Daten beziehungsweise Modellen, die selbst kleinste Höhenunterschiede im Gelände als Graustufenbild zeigen. In der Flur Colm la Runga konnte so eine künstliche Befestigung der Kuppe durch mehrere Gräben respektive Wälle erkannt werden. Dass es sich dabei tatsächlich um ein 2.000 Jahre altes, römisches Lager handelt, zeigen erste Funde und Untersuchungen.
Aktuelle Forschung
Nach geophysikalischen Untersuchungen und zerstörungsfreien Dokumentationen im Juli 2024 erforschen vom 11. bis 31. August 2024 Studierende der Universität Basel und ehrenamtliche Prospektoren das Wall-Grabensystem und die Strukturen im Innern des Lagers. Zu den bisherigen Funden gehören Waffen und Ausrüstungsteile römischer Soldaten, darunter Schleuderbleie und Schuhnägel. Die gefundenen Schleuderbleie tragen den Stempel jener 3. Legion, die auch am Gefecht beim Crap Ses beteiligt war. Es ist daher von einem engen Zusammenhang zwischen dem antiken Gefechtsfeld und dem neu entdeckten Militärlager auszugehen.
Strategisch günstige Lage und archäololgische Bedeutung
Der Standort des Lagers auf dem Colm la Runga wurde sicherlich aus strategischen Gründen gewählt. Von hier bietet sich ein weites Panorama in die wichtigsten umliegenden Talschaften: das Landwassertal, das Albulatal, das Domleschg und das Surses. Zudem kann die damals als Passage bedeutende Lenzerheide ideal eingesehen werden.
Die sensationelle Auffindung eines römischen Militärlagers in Graubünden verdeutlicht einmal mehr, dass die archäologische Erforschung der »römischen Schweiz« weiterhin großartige Überraschungen bereithält. International herausragend ist die Entdeckung auf dem Colm la Runga auch deshalb, weil sich der Vormarsch der römischen Streitkräfte vor 2.000 Jahren nun über mehrere Dutzend Kilometer präzise verfolgen lässt: vom Bergell über den Septimerpass bis in die Gegend von Tiefencastel – und von dort weiter in Richtung Chur und das Alpenrheintal.