Der glückliche Fund ist ein außergewöhnlicher und wichtiger Beitrag zur Kenntnis der dritten Dimension römischer Bauten in der Provinz. Über diese ist aus antiken Darstellungen oder der sonstigen Überlieferung so gut wie nichts bekannt. Um genauere Aufschlüsse zu erhalten, führte das Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg im Regierungspräsidium Stuttgart (LAD) ab Juni 2011 eine Voruntersuchung durch. Hierbei wurde festgestellt, dass die Hechinger Wand zu einem Gebäude gehört, das auf einer terrassenartigen Geländestufe am Hang errichtet wurde. Das Gebäude war nach den Untersuchungen 20 Meter breit und könnte bis zu 35 Meter lang gewesen sein. Damit wäre der Bau neben dem Haupthaus im Zentrum das zweitgrößte Gebäude der Villenanlage. Die mächtigen, bis zu 1,60 Meter breiten Fundamente der Neuentdeckung resultieren einerseits aus der Position am Schräghang, anderseits deuten sie aber auch auf die beträchtliche Höhe des Gebäudes hin. Aus der Lage und Verteilung der umgestürzten Wandpartien errechnet sich eine Mindesthöhe von 15 Meter. Damit ist das Gebäude größer und höher als die anderen ohnehin extrem seltenen archäologischen Beispiele umgestürzter Wände.
Die Villenanlage von Hechingen-Stein entstand am Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. und wurde im Laufe der nächsten 100 Jahre in mehreren Schritten aufwändig zu einer repräsentativen Anlage ausgebaut. Höchst bedeutsam ist, dass der Bau ca. 40 Meter außerhalb der bekannten Umfassungsmauer liegt. Dies zeigt zusammen mit anderen Beobachtungen, dass das Villengelände einst noch wesentlich ausgedehnter war als bisher gedacht. Mit weiteren unentdeckten Gebäude und Umfassungsmauern ist zu rechnen.
Neben den Maßen ragt der neu entdeckte Hechinger Bau aber auch durch die außergewöhnliche architektonische Ordnung der Fassade hervor. Allein in dem bisher durch das LAD untersuchten ca. sechs auf sechs Meter großen Teil der umgestürzten Wand waren sechs halbkreisförmige Steinbögen zu finden. Ein Bogen gehört zu einem ca. 0,70 auf 1,00 Meter großen, überwölbten Rechteckfenster, ein weiterer zu einer halbreisförmigen Öffnung. Andere Bögen dienten zur optischen Auflockerung der Fassade. Aus den bisher freigelegten Resten lässt sich die komplette Abfolge der Fenster und Zierbögen noch nicht zweifelsfrei ermitteln. Schon jetzt steht aber fest, dass eine ganz andere Fassadengestaltung vorliegt als bei den wenigen anderen Beispielen, wie z.B. in Oberndorf-Bochingen (Kreis Rottweil).
Dieser wichtige archäologische Befund wurde mit Hilfe einer neuen, dreidimensionalen Technik des LAD dokumentiert. Der terrestrische Laserscanner bietet sowohl für die Bauanalyse wie auch für die Rekonstruktion eine bisher nicht erreichbare Genauigkeit. Das Gerät vermisst mit Hilfe von Laserstrahlen die Steine und erstellt aus den Daten ein dreidimensionales zentimetergenaues Computerabbild. Damit lassen sich nicht nur die eigentlichen Dokumentationsarbeiten schnell und kostengünstig durchführen, auch die Auswertung und Präsentation des Befundes wird anschaulicher und genauer.
Die Gründe für den „Mauerfall" sind noch nicht bekannt. Auffallende Verwerfungen der Fundamente verweisen jedoch auf starke nachantike Bewegungen des Untergrundes. Möglicherweise war ein Erdbeben schuld an der Katastrophe. Auch die Funktion des Gebäudes muss vorerst offen bleiben.
Die Villa von Hechingen-Stein ist eine der bedeutendsten römischen Villenanlagen in Baden-Württemberg. Die teilrestaurierte Anlage hat sich seit 1991 zu einem überregional bekannten Freilichtmuseum entwickelt, in dem der interessierte Laie das antike Leben in einer repräsentativen Villa auf dem Lande anschaulich erleben kann.