Recht und Verwaltung im Land der Pharaonen

Von Alexander dem Großen bis zu Kleopatra: Mit dem Alltag in Recht und Verwaltung im antiken Ägypten befasst sich ein gemeinsames Forschungsprojekt der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und der Universität zu Köln. Rund 6.500 Papyrus-Fragmente werden im Rahmen des Vorhabens neu übersetzt, kommentiert und zusammengefasst. Hierfür stellt die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) über zwölf Jahre mehrere Millionen Euro aus ihrem Fonds für Langfristvorhaben bereit.

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Papyrus
Papyrus | Foto: Markus Scholz, Uni Halle

Seit der Zeit Alexander des Großen befand sich Ägypten unter griechischer Fremdherrschaft. Unter den fremden Pharaonen erlebte das Land am Nil eine nie dagewesene und andauernde Immigration aus dem nordöstlichen Mittelmeerraum. Diese 'Neue Welt' der Antike befand sich in einem steten Prozess der Transformation. Wie in einer Laborsituation lässt sich hier die Entstehung und Entwicklung einer multikulturellen Gesellschaft beobachten, denn Forscherinnen und Forscher verfügen allein aus Ägypten über einen Quellenreichtum, der für alle anderen Regionen der vormodernen Welt bis einschließlich ins Hochmittelalter fast gänzlich fehlt. "Unter den fremden Pharaonen erlebte das Land am Nil eine bisher nie da gewesene und andauernde Immigration aus dem nordöstlichen Mittelmeerraum", sagt Prof. Dr. Stefan Pfeiffer vom Institut für Altertumswissenschaften der MLU. Gemeinsam mit der Papyrologie-Expertin Prof. Dr. Charikleia Armoni der Universität Köln und Prof. Dr. Jürgen Hammerstaedt vom "Cologne Center for eHumanities" leitet er das neue Projekt. "Durch das Langfristvorhaben können wirerstmalig auf der Basis griechischer Papyrusdokumentedie Gesamtheit der administrativen Institutionen und der von ihnen gelenkten Vorgänge im hellenistischen Ägypten erfassen“, so Prof. Armoni.

Dass sich auch Jahrtausende danach noch viel über das Leben im antiken Ägypten erfahren lässt, liegt an den zahlreichen, gut erhaltenen auf Papyrus und Tonscherben (Ostraka) überlieferten Gebrauchstexten aus dieser Zeit. "Die Papyri erlauben es uns, direkt in das alltägliche Leben des antiken Ägyptens einzutauchen und die Entwicklung einer multikulturellen Gesellschaft zu beobachten", sagt Pfeiffer weiter. Da sie in der Regel nicht für eine langfristige Überlieferung gedacht waren, beschreiben die Fundstücke oft konkrete Alltagserlebnisse, zum Beispiel einen Disput zwischen Nachbarn. Das bietet Pfeiffer zufolge die einzigartige Chance, die Ursprünge zahlreicher Prinzipien und Praktiken herrschaftlicher Verwaltung und Einflussnahme zu identifizieren und ihre Entwicklung nachzuzeichnen.

In dem neuen Projekt soll erstmals ein kompletter Überblick der administrativen Realität eines hochorganisierten vormodernen Königreiches erstellt werden. Dafür werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Halle und Köln etwa 6.500 Papyri analysieren, die sich mit den Themen Herrschaft, Recht und Verwaltung befassen. Diese Quellen werden neu übersetzt, historisch ausgewertet und kommentiert. Ziel ist es, zu verstehen, wie die herrschaftliche Verwaltung organisiert war. Die Papyri sollen digitalisiert und frei zugänglich gemacht werden. Im Rahmen des DFG-Projekts sind zudem zehn Buchveröffentlichungen geplant.

In das Projekt fließen auch die knapp 250 Exponate der Papyrussammlung des Instituts für Altertumswissenschaften in Halle ein. Von besonderem Interesse ist hierbei eine Sammlung der Gesetze Alexandrias - die sogenannten Dikaiomata. Im Bestand der MLU befinden sich auch Quittungen und Privatbriefe, die für die Forschung neu erschlossen werden. Auch das Institut für Altertumskunde der Universität zu Köln verfügt über eine der weltweit größten und bedeutendsten Universitätssammlungen dieser Art, die mehrere Tausende Originalobjekte beherbergt.