Rares Bares

Innovatives Digitalisierungsprojekt erschließt mittelalterliche und neuzeitliche Münzfunde aus Sachsen-Anhalt

Gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie in Kooperation mit dem Landesmünzkabinett Sachsen-Anhalt im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt sowie dem Fraunhofer Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung (IFF) in Magdeburg widmet sich das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (LDA) Sachsen-Anhalt mit dem Projekt »Rares-Bares« der digitalen Erfassung und Erschließung von etwa 18.500 Fundmünzen aus dem Mittelalter und der Neuzeit. Über verschiedene Internetportale stehen sie anschließend der nationalen und internationalen Forschung zur Verfügung.

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O.S.C.A.R.
O.S.C.A.R.: Detailansicht des Auflagebereichs für die Münze, hier ein Taler des Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen, geprägt 1624 in Dresden. © Fraunhofer IFF, Viktoria Kühne

Am 1. Oktober 2020 startete am Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt (LDA) in Kooperation mit dem Landesmünzkabinett im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) und dem Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung (IFF) in Magdeburg das Projekt »Rares-Bares – Digitalisierung und Bereitstellung mitteldeutscher Fundmünzen als Fundament für die Rekonstruktion von Währungs- und Wirtschaftsräumen vom Mittelalter bis zur Neuzeit«. Gefördert wird das Digitalisierungsprojekt im Rahmen der Förderlinie eHeritage vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit einer Laufzeit von 3 Jahren.

Wertvolle Vorarbeit für seine Durchführung konnte bereits im Rahmen des Projektes »Digital Heritage 2017/18« geleistet werden. Ausgehend von einer Sondervereinbarung der Staatskanzlei und Ministerium für Kultur des Landes Sachsen-Anhalt mit dem LDA wurden bereits seit Sommer 2017 die Grundlagen geschaffen, neben zentralen Beständen aus Archiven und Sammlungen auch die Fundmünzen strukturiert neu zu erschließen und in zeitgemäßer Form digital zu sichern. Damals wurde eine wegweisende Methode zur digitalen Erfassung von archäologischen Fundmünzen entwickelt, die eine grundlegende Erschließung dieses wichtigen Quellenmaterials für die Forschung und die Allgemeinheit ermöglicht.

Münzen stellen in vielerlei Hinsicht eine wichtige Quellengattung dar, etwa im Hinblick auf Fragestellungen zur Landes-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte oder in Bezug auf historische und politische Ereignisse und Persönlichkeiten. Zugleich gehören Münzen zu den umfangreichsten und in sich geschlossenen materiellen Quellengruppen, die die Geschichte überhaupt zu bieten hat. Zudem sind sie sehr gut datierbar. Ihre Digitalisierung und Bereitstellung ist daher die Grundlage für eine vollständige und übersichtliche Erschließung dieser Fundgattung, für die vergleichende Untersuchung und Auswertung des Materials sowie von weiterführenden Fragestellungen oder Einzelfallstudien. So sind Fundmünzen neben Urkunden äußerst wichtige Quellen für die Rekonstruktion des Geldumlaufs in Mitteldeutschland, da sie die Erforschung von Struktur, Volumen sowie Bewegung von Münzgeld ermöglichen. Daraus wiederum lassen sich Schlüsse über Aufschwung und Niedergang der Wirtschaft, über Handelsgeografie und Siedlungsgeschichte, über Herrschaftsverhältnisse und Religiosität sowie über zeitgeschichtlich-politische Ereignisse ziehen.

Ziel des Projektes »Rares-Bares« ist daher die Schaffung einer umfassenden Datengrundlage, auf deren Basis erstmals eine präzise Charakterisierung von mittelalterlichen, frühneuzeitlichen und neuzeitlichen Währungslandschaften in Mitteldeutschland erfolgen kann. Dazu sollen etwa 18.500 Fundmünzen erfasst werden, die in die Zeit vom Mittelalter bis zur Neuzeit (6. bis 20. Jahrhundert) datieren, auf dem Gebiet Sachsen-Anhalts gefunden wurden und sich heute im LDA Sachsen-Anhalt und im Landesmünzkabinett Sachsen-Anhalt im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) befinden.

Die digitalisierten Münzen sollen über diverse Internet-Portale der nationalen und internationalen Fachwelt und der interessierten Öffentlichkeit in Form von 18.500 numismatischen Datensätzen und 37.000 Bilddateien mit interaktiver Beleuchtungssteuerung zur Verfügung gestellt werden. Diese besonderen Bilddaten erlauben es nicht nur, die Stärke, sondern auch die Position der Lichtquelle virtuell zu verändern und über die Münzoberfläche zu bewegen. Ähnlich wie beim Drehen der Münze im Sonnenlicht oder bei der Streiflichtmethode kann die Oberflächenstruktur so im Detail betrachtet werden. Ein Beispiel können Sie hier betrachten.

Zur Erfassung der numismatischen Daten – wer welche Münze wann, wo und mit welchem Wert prägen ließ – wird das Erschließungsmodell des »Kompetenznetzwerks zur kooperativen Erschließung und Nutzung der Objektdaten von Münzsammlungen«, kurz KENOM, genutzt. Dabei handelt es sich um eine Datenbank, die speziell auf die Erfassung numismatischer Objektdaten ausgerichtet ist und in der beide beteiligte Sammlungen bereits andere Teilbestände veröffentlicht haben. Im Sinne der Vergleichbarkeit erfolgt die Erfassung unter Zuhilfenahme von Normvokabular und georeferenzierten Ortsangaben. Zudem werden international gebräuchliche Metadatengrundlagen genutzt, die auch einen unkomplizierten Datenaustausch ermöglichen. So können die Digitalisierungsergebnisse nicht nur über das KENOM-Portal, sondern sukzessive auch im Portal der Deutschen Digitalen Bibliothek (DDB) sowie über Europeana, eine virtuelle Bibliothek für das kulturelle Erbe der Europäischen Union, für die Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden.

Die bildgebende Digitalisierung erfolgt mit dem »Optical System for Coin Analysis and Recognition«, kurz O.S.C.A.R., das in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut IFF bereits im Rahmen des Digitalisierungsprojekts »Digital Heritage 2017/18« entwickelt und im Zuge von »Rares-Bares« entsprechend den speziellen Anforderungen der Objektgattung weiter verfeinert wurde. Mit O.S.C.A.R. können einzelne Münzen – basierend auf etwa 1.000 optischen Merkmalen, die einen Erkennungsschlüssel, quasi einen »digitalen Fingerabdruck« der Münze bilden – eindeutig und unverwechselbar beschrieben und identifiziert werden. Im Rahmen der Förderung durch das BMBF konnte die Bildauflösung bei kleinen Münzen durch den gezielten Einsatz verschiedener Kameraobjektive deutlich verbessert werden.

Essentieller Projektbestandteil ist neben der Erfassung der numismatischen Daten und der bildgebenden Digitalisierung auch die Fundortrecherche für all jene Münzfunde, die vor allem bereits im 19. Jahrhundert als Bodenfunde zu Tage kamen. Zahlreiche Hortfunde wurden damals vom Thüringisch-Sächsischen Altertumsverein – einer Vorgängerinstitution des heutigen Landesmuseums für Vorgeschichte – auseinandergerissen, nach Münzstand, also der herausgebenden Körperschaft, neu sortiert und ohne Fundortangabe in verschiedenen Vergleichs­sammlungen zusammengefasst. Hier konnten durch die Analyse der alten Erwerbungsakten, Sammlungs­verzeichnisse und Briefwechsel bereits erste Erfolge erzielt und einige Münzen wieder ihrem einstigen Fundort zugeordnet werden.

Digitalisierter Brakteat, nur Oberflächeninformation
Diese Abbildung des digitalisierten Brakteaten Ulrichs von Halberstadt mit Darstellung des Hl. Stephanus (sogenannter Stephanusbrakteat, 1149–1180) zeigt die isolierte Oberflächenorientierung. © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt.
Brakteat, nur Farbinformation
In dieser Darstellung der digitalisierten Münze sind ausschließlich die Farbinformationen enthalten. © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt.
O.S.C.A.R.
O.S.C.A.R. in Aktion: Eine Münze wird digitalisiert. © Fraunhofer IFF, Viktoria Kühne.