Forschungsgeschichte - zwei Forscher, zwei Theorien
Zwischen 1948 und 1956, bei Rekonstruktion und Sanierungsarbeiten nach den Zerstörungen des Krieges, hat Bernhard Ortmann, Bauingenieur und Archäologe in Paderborn, seine Ausgrabungen durchgeführt. Dabei legte er eine ältere kleinere Saalkirche mit Rechteckchor frei und rekonstruierte die Baugeschichte der Klosterkirche. Er interpretierte diese Kirche als die karolingische Salvatorkirche und den Nachfolgebau als die 799 geweihte Kirche »von wunderbarer Größe«, von der die Reichsannalen sprechen.
Die Entdeckungen der 1960er und 1970er Jahre im Pfalzareal nördlich des Domes und die Ausgrabungen im Dom bis zu Beginn der 1980er Jahre haben die Geschichte der Bischofsstadt Paderborn definiert und Ortmanns Theorien endgültig widerlegt. In den 1980er Jahren ist dann der Kirchenhistoriker und Archäologe beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), Dr. Uwe Lobbede,y zu einer neuen Interpretation von Ortmanns Befunden gekommen, die er auch in enge Verbindung mit den Schriftquellen setzte. Die kleine Saalkirche konnte als der rasche Bau einer Kapelle, die Meinwerk zunächst errichten ließ, interpretiert werden, während der Bau der eigentlichen Klosterkirche kurz darauf begann. Die Fertigstellung der Kirche zog sich dann bis ins Jahr 1031.
Aktuelle Untersuchungen - Raum für neue Diskussionen
Seit diesem Jahr finden Sanierungsarbeiten an der Abdinghofkirche statt, die neben einer neuen Wandgestaltung auch die Herstellung einer neuen Fußbodenheizung vorsehen. Für diese Arbeiten wurde die Paderborner Stadtarchäologie eingeschaltet, welche die Maßnahmen seit ihrem Beginn begleitet.
Die Befunde, die zutage kamen, lassen Platz für weitere Diskussionen über die Gestaltung des Kircheninneren. An den beiden östlichen Pfeilern im Mittelschiff wurden zwei runde Säulenbasen entdeckt, die neue Fragen aufwerfen: Beziehen sich diese beiden Säulen auf die nördliche und die südliche Arkadenwand des Mittelschiffes, und gehören sie zu einem Vorgängerbau, womöglich schon dem zweiten Kirchenbau Bischof Meinwerks?
»Sie scheinen abgetragen worden und dann im Bau der mächtigen rechteckigen Pfeiler, die das Mittelschiff von den Seitenschiffen treffen, eingeschlossen beziehungsweise überbaut worden zu sein«, sagt LWL-Archäologin Dr. Sveva Gai. »Die Säulen scheinen aber zu schmal zu sein, um eine Arkadenwand zu tragen. Dazu ist noch anzumerken, dass sich an keinem weiteren Pfeiler eine Säule abzeichnet«, so die Stadtarchäologin weiter.
Oder könnten die zwei Säulen zu einer Chorschranke gehören und an Pfeilern angebaute Halbsäulen sein? Die Chorschranke, ab der Spätromanik als Lettner zu bezeichnen, trennte den Raum für das Mönchkollegium vom übrigen Kirchenraum, der für die Laien bestimmt war. »Dagegen spricht aber, dass beide Säulen sich weiter unter den Pfeilern fortsetzen und nicht wirklich als Halbsäulen zu verstehen sind. Eine endgültige Antwort steht noch aus«, erläutert Gai.
Ein interessanter Überrest ist auch die barocke Gruft, die im Mittelschiff direkt unter dem Betonboden zutage getreten ist. Es zeigt sich eine längsrechteckige Kammer, die mit einem Tonnengewölbe aus Ziegelsteinen überdeckt ist. »Dieses Bild ist aus zahlreichen Kirchen, unter anderem auch der Klosterkirche Corvey, bekannt«, unterstreicht Gai.
»Viele Fragen sind aber noch offen und die Möglichkeiten, das Ganze zu klären, würde tiefgehende, in der Fläche ausgedehnte Maßnahmen voraussetzen, die die Bauplanung nicht fordert«, sagt der Chefarchäologe des LWL, Prof. Dr. Michael Rind. »Was nicht ausgegraben werden muss, bleibt für spätere Generationen erhalten und wird weiterhin für die Anwendung besserer und präziserer Methode in Zukunft verfügbar sein.«