In Potsdam entsteht auf einem ehemaligen Gärtnereigelände im »Nuthewinkel« demnächst ein neues Wohngebiet. Bevor gebaut werden kann, müssen mehr als 30.000m² Fläche archäologisch untersucht werden. Durch Altfunde und eine bauvorbereitende archäologische Vorerkundung war bereits bekannt, dass das am Niederungsrand der Nuthe gelegene Gelände im Mesolithikum, Neolithikum, der späten vorrömischen Eisenzeit und in der römischen Kaiserzeit genutzt wurde. Seit Ende Mai 2013 wird die archäologische Hauptuntersuchung der Baufelder von der archäologischen Fachfirma AAB Archäologische Ausgrabungen und Bauprojektbetreuung im Auftrag des Bauherrn NCC Deutschland ausgeführt. In den kommenden Wochen finden die Ausgrabungsarbeiten planmäßig ihren Abschluss.
Reste von fast 40 germanischen Gebäuden, überwiegend Grubenhäusern, sind neben zahlreichen Pfostengruben bisher freigelegt und dokumentiert worden. Die trotz der mehr als 100 Jahre dauernden intensiven gärtnerischen Nutzung des Geländes gut erkennbaren Grubenhäuser stammen überwiegend aus der römischen Kaiserzeit. Die Funde umreißen einen Nutzungszeitraum der germanischen Gehöfte von der späten vorrömischen Eisenzeit bis zum Ende des 4. Jahrhunderts. Grubenhäuser dienten wahrscheinlich als Werkstätten oder waren Lagerräume für Vorräte, Werkzeuge oder Rohstoffe. Ihre geringe Größe von im Durchschnitt 8- 10m² und das Fehlen von Herdstellen deuten darauf hin, dass sie im Gegensatz zu den großen ebenerdigen Pfostenbauten keine Wohnbauten waren, sondern als Nebengebäude der Gehöfte zu interpretieren sind.
Zu den überraschendsten Funden gehören mehrere römische Importstücke. Bisher einmalig unter den Funden aus Brandenburg sind ein aus Bronze gefertigter Jochaufsatz und muschelförmige Beschläge für Lederriemen. Jochaufsätze sind bisher vor allem auf römischen Schlachtfeldern gefunden worden. Die Bronzebeschläge dieses Typs waren vor allem im 2.-3. 2 Jh. n. Chr. im gallo-germanischen Raum bzw. im Limesgebiet verbreitet und gehörten zur Ausrüstung von Hilfstruppen der römischen Legionen (Auxiliareinheiten). Ob die zur Ausstattung eines römischen Reisewagens gehörenden Bronzeobjekte Handelsgut waren oder direkt durch einen in römischem Sold stehenden Germanen nach Potsdam gelangten, lässt sich wohl nicht mehr klären. Der 350g schwere Jochaufsatz aus Bronze war wahrscheinlich ebenso wie zwei römischen Silbermünzen in erster Linie als Rohstoff für die einheimischen Edelmetallschmiede interessant.
Römische Münzen werden häufiger auch in Siedlungen und Gräbern im freien Germanien gefunden. Ein gut erhaltener Vespasian-Denar (Kaiser Vespasian † 79 n.Chr.) hatte ursprünglich ein Gewicht von ca. 4,5g und entspricht damit 4 sestertii oder 16 asses. Ein zweiter Denar wurde zur Zeit Kaiser Mark Aurels (*121 † 180) geprägt. In der Germania magna gab es keine entwickelte Geldwirtschaft. Der Handel basierte auf Tausch von Naturalien, Rohstoffen, Halb- und Fertigprodukten. Eine Dreiknopffibel aus Bronze, eine germanische Nachahmung der römischen Zwiebelknopffibel, diente zum Zusammenhalten von Kleidung. Sie datiert in das 4. oder sogar beginnenden 5. Jahrhundert und belegt damit die lange Existenz der germanischen Dorfes an dieser Stelle.