ÖAW-Forschende entdecken frühchristliche Basilika im italienischen Aquileia
Die heutige Größe von Aquileia steht im umgekehrten Verhältnis zu seiner großen historischen Bedeutung: Die heutige Kleinstadt mit 3.000 Einwohnerinnen und Einwohnern in karger Landschaft, etwa zehn Kilometer von der Lagune von Grado am Golf von Triest entfernt, war in der Antike eine wirtschaftlich wichtige Stadt des Römischen Reiches. Gegründet 181 v. Chr. als römische Militärkolonie, lag sie strategisch günstig am Ende der Bernsteinstraße und auf dem Weg in die Provinz Noricum, dem heutigen Österreich.
Forschende des Österreichischen Archäologischen Instituts der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) haben jetzt in Aquileia eine bislang unbekannte frühchristliche Basilika entdeckt. Die monumentale Kirche nach byzantinischem Vorbild wirft ein neues Licht auf die religiöse Entwicklung und die geopolitische Bedeutung der Stadt. "Die Stadt wird unter Kaiser Justinian I mit einer mächtigen Zick-Zack-Mauer befestigt, für die es die besten Vergleiche in Thessaloniki gibt. Der Fund der neuen Basilika lässt wohl auf ein größeres byzantinisches Bauprogramm schließen", sagt ÖAW-Archäologe Stefan Groh. Kaiser Justinian I regierte als römischer Kaiser von 521 bis 527.
Westlich von Aquileia, nahe der Via Annia, einer wichtigen Handelsstraße, die die Stadt mit Mailand und Rom verband, wurden geophysikalische Messungen und geoarchäologische Bohrungen durchgeführt. Diese führten zur Entdeckung eines Kirchenbaus aus dem 4. Jahrhundert, der im Laufe der Zeit zu einer dreischiffigen Transeptbasilika ausgebaut wurde.
"Diese Basilika ist seit Jahrzehnten intensiver archäologischer Forschungen in Aquileia der erste neu entdeckte Großbau", so Stefan Groh. Wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts wurde die Basilika unter Kaiser Justinian I. zu einem imposanten Bau mit drei Apsiden erweitert. Die Architektur weist auffällige Parallelen zum oströmischen Reich auf, wie sie in Ägypten, der Türkei und auf dem Balkan zu finden sind.
"Transeptbasiliken mit Apsiden lassen sich im oströmischen Reich von Ägypten über den Nahen Osten wie in Bethlehem, die lykische Küste, im Südwesten der Türkei und den Balkanraum in Durrës, Albanien, nun auch bis zur Oberen Adria nachweisen“, erklärt Groh. Die Basilika ist wohl nicht nur ein religiöses Bauwerk, sondern auch ein Zeichen der Rückeroberung Oberitaliens durch Justinian I. Der Bau, der nach Südosten in Richtung Konstantinopel und Jerusalem ausgerichtet ist, wird als Reaktion auf die Vertreibung der arianischen Goten interpretiert.
Die Forschungen, die durch den Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) gefördert wurden und in Kooperation mit der "Soprintendenza Archeologia, belle arti e paesaggio del Friuli Venezia Giulia" erfolgt sind, geben Einblick in die historische Stadtentwicklung Aquileias und ihre Verbindung zu byzantinischen Baustrukturen. "Wie sehr diese antiken 'geopolitischen‘ Baumaßnahmen selbst in unsere Region ausstrahlten ist anhand der Bischofskirche von Teurnia im Ort St. Peter in Holz, Kärnten, zu erkennen, die im 6. Jh. n. Chr. mit einem ähnlichen Bauplan wie die neue Basilika von Aquileia adaptiert wurde", unterstreicht ÖAW-Archäologe Stefan Groh.