Die Initiative »Chantier Notre-Dame« soll den Austausch von bestehender Expertise und neuen Erkenntnissen in zehn Arbeitsgruppen koordinieren. Der Bamberger Kunsthistoriker Prof. Dr. Stephan Albrecht ist Mitglied der drei Arbeitsgruppen »Digitale Daten«, »Holz« und »Stein«. Er stellte der Initiative die von Bamberger Wissenschaftlern zum Teil erst kurz vor dem Brand erhobenen Daten zur Verfügung. Die Aufnahmen umfassen 3D-Scans der Innen- und Außenseite des Querhauses. Außerdem stellt Albrecht die Farbanalysen des Nord- und Südportals zur Verfügung, die von den Restaurierungswissenschaften ausgewertet wurden. Sie geben unter anderem Aufschluss über die Bemalungen zu verschiedenen Zeiten.
Stephan Albrecht arbeitet am Institut für Archäologische Wissenschaften, Denkmalwissenschaften und Kunstgeschichte (IADK) an der Universität Bamberg, wo mehrere Experten in den vergangenen Jahren intensiv in verschiedenen Projekten die Kathedrale Notre Dame erforscht haben. Die jüngsten Aufnahmen entstanden im Rahmen des Forschungsprojekts »Mittelalterliche Portale als Orte der Transformation« in den Jahren 2015 bis 2018. In diesem Projekt untersuchte Albrecht gemeinsam mit den Professoren Dr. Stefan Breitling und Dr. Rainer Drewello die Portale von sechs europäischen Kathedralen. Damit liegt der jüngste dokumentierte Ist-Zustand von Notre Dame in Form von Vermessungsdaten vor.
Die Bamberger Daten gehen gemeinsam mit den Aufnahmen der weiteren Forschenden derzeit maßgeblich in ein 3D-Modell der Kathedrale von Paris ein, das die Grundlage für den Wiederaufbau bilden soll. »Wir stellen selbstverständlich alles, was in Bamberg an Daten vorliegt, zur Verfügung«, sagt Albrecht, der den Lehrstuhl für Kunstgeschichte, insbes. für Mittelalterliche Kunstgeschichte innehat. »Insbesondere die Aufnahmen der Innen- und Außenseite des Querhauses haben sich als wertvoll erwiesen.« Dort war die Kathedrale besonders schwer beschädigt worden.
»Wenn man die Fassaden jetzt neu vermisst und mit unseren Daten vergleicht, könnte man sehr deutlich sehen, wo es Verformungen gab«, erläutert Stephan Albrecht. Man müsse überprüfen, wie stark das Mauerwerk betroffen sei, inwieweit sich zum Beispiel die Eisenklammern in den Steinen ausgedehnt hätten. »Ich hoffe, dass es genügend Zeit für den Wiederaufbau gibt und dass man versucht, so viel wie möglich vom Original zu erhalten und nur das Nötigste hinzuzufügen – als Beitrag des 21. Jahrhunderts.« Im Januar soll das 3D-Modell in Paris vorgestellt werden.