Beim Ausbau der Bundesstraße 33 wurde am 8. April 2020 bei Allensbach von der Kreisarchäologie des Landratsamtes Konstanz eine frühneuzeitliche Richtstätte entdeckt. Die daraufhin eingeleiteten Ausgrabungen werden von der Kreisarchäologie und dem Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart von einem siebenköpfigen Grabungsteam unter der Leitung des Kreisarchäologen Dr. Jürgen Hald durchgeführt.
Auf der 700 m² umfassenden Grabungsfläche kamen direkt unter der heutigen Wiese zwei gemauerte Fundamente aus Bruchsteinen, menschliche Skelettreste sowie weitere Grubenbefunde zutage. "Die zwei Fundamente stammen von den gemauerten Pfeilern eines sogenannten zweischläfrigen Galgens, der mindestens 3,5 m hoch war", berichtet Kreisarchäologe Hald. Die Entstehungszeit der Richtstätte sei jedoch noch nicht eindeutig beurteilbar. Nach Archivaufzeichnungen wurde der Galgen 1653 neu aufgerichtet. Der hölzerne Querbalken wurde mehrmals erneuert, zuletzt 1760. Hinrichtungen sind vom 16. - 18. Jahrhundert in Archivalien verbürgt. Die letzte Exekution fand um 1770 statt und der Galgen wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts abgebaut. Auf Karteneintragungen von 1817 ist er noch eingezeichnet.
Um die Galgenfundamente konnten von dem Archäologenteam in teils sehr kleinen, flachen Gruben Skelettreste von mindestens sechs Individuen sowie auch verbrannte menschliche Knochen freigelegt werden. "Bei den ohne Sorgfalt verscharrten Toten handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um Menschen, die auf der Insel Reichenau abgeurteilt und an der herrschaftlichen Richtstätte in Allensbach hingerichtet wurden", so Hald.
Laut Dr. Michael Francken vom Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart scheint es sich aufgrund einer ersten anthropologischen Untersuchung mehrheitlich um erwachsene Männer zu handeln. "Alle bislang gefundenen Individuen waren älter als 20 Jahre. Über die jeweilige Todesursache kann im Augenblick nur spekuliert werden, fehlende Spuren von Gewalteinwirkung lassen allerdings vermuten, dass Strangulation wie Erwürgen, Erdrosseln oder Hängen beim überwiegenden Teil der Hingerichteten die Todesursache war", sagte der Anthropologe.
Wie das Archäologenteam berichtet, weisen vollständige auf dem Bauch liegende Skelette auf eine Bestattung relativ kurz nach dem Tod eines Delinquenten hin. Die hinter dem Rücken gekreuzten Hände zeigten, dass die Personen vermutlich gefesselt waren. Teilskelette im anatomischen Verband und isolierte Einzelknochen ließen dagegen vermuten, dass einige Körper längere Zeit am Galgen hingen und herabfallende Teile nach und nach in den flachen Gruben rund um den Galgen verscharrt wurden. Gruben mit verbrannten menschlichen Knochen könnten zudem auf Verbrennungen auf Scheiterhaufen oder das Verbrennen einiger Leichname hinweisen. Aus Archivquellen sei bekannt, dass auch Enthauptungen mit dem Schwert an dieser Richtstätte stattfanden.
"Mit modernen Methoden untersuchte Hinrichtungsstätten sind bislang in Baden-Württemberg sehr selten, daher kommt der Ausgrabung eine hohe wissenschaftliche und überregionale Bedeutung zu", sagte der Präsident des Landesamts für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, Prof. Dr. Claus Wolf. Die archäologischen Ausgrabungsarbeiten werden vermutlich im Juni 2020 beendet.