Neues Zentrum für die Forschung an der Schnittstelle der Geistes- und Naturwissenschaften gegründet
Innovative Techniken haben in den letzten Jahren eine neue Qualität naturwissenschaftlicher Analytik an prähistorischen, antiken, spätantiken bis hin zu mittelalterlichen materiellen Zeugnissen ermöglicht und zu neuen Erkenntnissen beigetragen. Sie erlauben es, auf neue Weise große Fragen der Menschheitsgeschichte anzugehen und bis vor kurzem unerreichbar erscheinende Einsichten zu gewinnen. So konnten zum Beispiel massive Migrationsbewegungen aus dem Steppengebiet nach Mitteleuropa im 3. Jahrtausend vor Christus oder die Ausbreitung der Justinianischen Pest im 6. bis 8. Jahrhundert nachgewiesen werden.
An der Universität zu Köln arbeiten die Geistes- und Naturwissenschaften schon seit vielen Jahren zusammen. Bereits vorhandene Labore für Archäobotanik, Archäozoologie, Dendroarchäologie und Molekulare Archäologie bereiten Studierende der Philosophischen Fakultät auf die Anwendung naturwissenschaftlicher Analyseverfahren vor, darunter etwa die Datierung alter Hölzer oder die Bestimmung von Tierknochen und botanischen Resten aus archäologischen Grabungen. Aber auch geophysikalische Methoden zur Erkundung und Erfassung von archäologischen Stätten oder Ansätze der Materialanalytik werden gelehrt. Hinzu kommt die Arbeitsstelle für Papyrologie, Epigraphik und Numismatik am Institut für Altertumskunde, die seit mehr als einem Jahrzehnt Papyri unter anderem mit Nano-Optik, Inschriften mit speziell entwickelten Techniken und Münzen mit materialwissenschaftlichen Erhebungen erforscht.
Bislang waren diese verschiedenen Kompetenzen – darunter auch Kooperationen mit Instituten und Abteilungen anderer Fakultäten und außeruniversitärer Forschungseinrichtungen – jedoch zu wenig miteinander verknüpft. Das führte zu dem Entschluss von Professoren und Professorinnen aus den Bereichen Archäologie, Altertumskunde, Alte Geschichte und Kulturen des Mittelmeerraums, die vorhandenen Kompetenzen in einem eigenen Zentrum für naturwissenschaftliche Archäologie und Altertumskunde zu bündeln.
Das Zentrum wird unter anderem Provenienzforschung von Metallen oder Gesteinen (Marmoranalyse an Skulpturen) und Polychromieforschung an Skulpturen vorantreiben. Darüber hinaus untersuchen die Wissenschaftler*innen die Herstellungsprozesse antiken sowie prähistorischen Handwerks (Keramikproduktion, Kupfergeräteherstellung) und die Schriftträger materieller Textzeugen. Nicht zuletzt haben sich die Wissenschaftler*innen zum Ziel gesetzt, naturwissenschaftliche Analytik auf molekularer Ebene weiterzuentwickeln.
»Das Zentrum soll als Plattform für den interdisziplinären Austausch und die Vernetzung zwischen Archäologien, Altertumskunde und Naturwissenschaften dienen und im Bereich neuer Methoden und neuer Erkenntnisse Wissen vermitteln – innerhalb der Universität und darüber hinaus. Außerdem soll es das besondere Profil unserer Archäologien und der Altertumskunde verdeutlichen«, sagt Vorstandsmitglied Professorin Dr. Silviane Scharl. Die Prähistorikerin fügt hinzu: »Die Kombination aus sprachlicher Analytik, der Analyse materieller Kultur und naturwissenschaftlicher Analytik sowie die umfangreichen Sammlungen antiker materieller Kultur ermöglichen in Zukunft innovative Forschungen an der Schnittstelle der Geistes- und Naturwissenschaften.«
Der Archäologe Professor Dr. Eckhard Deschler-Erb, ebenfalls frisch gewähltes Vorstandsmitglied, sagt: »Studierende der Universität zu Köln haben bereits jetzt im Rahmen eines breiten Angebots an Lehrveranstaltungen an der Schnittstelle von Archäologie/Altertumskunde und den Naturwissenschaften die Möglichkeit, von der wissenschaftlichen und methodischen Expertise des Zentrums zu profitieren. Langfristig wollen wir auch ein Angebot für interessierte externe Studierende schaffen.« Hierfür sollen regelmäßig Zertifizierungskurse zu unterschiedlichen Themenfeldern im Schnittstellenbereich Archäologie/Altertumskunde und Naturwissenschaften angeboten werden.