Die Geowissenschaften und die Archäologie sind gleichermaßen auf Verfahren angewiesen, die eine möglichst präzise Datierung von Gesteinsproben erlauben. Eine der wichtigsten Methoden ist die Lumineszenzdatierung. Wenn Minerale bei relativ niedrigen Temperaturen unter der Erdoberfläche lagern und vor dem Sonnenlicht geschützt sind, speichern sie Strahlungsenergie. Dabei handelt es sich einerseits um Energie, die durch den Zerfall von Elementen wie Uran, Kalium und Thorium freigesetzt wird, andererseits um Strahlungsenergie aus dem Weltraum. Die Energie wird in den Mineralen dadurch gespeichert, dass freie Elektronen an Störstellen im Kristallgitter haften bleiben. Je länger die Minerale unterirdisch "begraben" sind, desto höher ist die Zahl der eingefangenen Elektronen. Bei der Lumineszenzdatierung werden diese Elektronen durch eine gezielte Bestrahlung der Minerale mit Licht oder Wärme wieder aus den Haftstellen herausgelöst. Die Menge der dabei freigesetzten Lichtenergie erlaubt Rückschlüsse auf die Zahl der Elektronen und somit auf die Dauer der unterirdischen Lagerung.
In den letzten Jahren wurde die Lumineszenzdatierung erheblich verbessert, so dass in vielen Regionen der Erde umfangreiche und genaue Datierungen möglich sind. Weltweit gibt es heute geowissenschaftliche und archäologische Archive, die solche Daten der Forschung zugänglich machen. Bis heute fehlt jedoch eine flexible, universell einsetzbare Software, die es ermöglicht, diese Daten so zu bündeln und auszuwerten, wie es für komplexe wissenschaftliche Untersuchungen erforderlich wäre. 2012 wurde das Software-Paket "Luminescence" veröffentlicht, das auf der statistischen Programmiersprache R beruht. Es gilt in der Fachwelt als ein Meilenstein auf dem Weg zu einer effizienten Nutzung der weltweit verfügbaren Daten. Die neue Software soll dazu beitragen, die in verschiedenen Datierungslaboren gewonnenen Ergebnisse vergleichbar und ihr Zustandekommen transparent zu gestalten. Ein wichtiges Ziel ist es, geowissenschaftliche und archäologische Datenarchive so aufeinander abzustimmen, dass die Messergebnisse interdisziplinär genutzt werden können.
Damit das Softwarepaket "Luminescence" den wachsenden Anforderungen aus den Geowissenschaften und der Archäologie in Zukunft gerecht werden kann, muss es in vieler Hinsicht ausgebaut und weiterentwickelt werden. Dieser Aufgabe widmet sich das neue Forschungsvorhaben "RLum.Network", das die Deutsche Forschungsgemeinschaft drei Jahre lang (2014 bis 2016) aus ihrem Programm "Wissenschaftliche Netzwerke" fördert.
Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler mehrerer Universitäten und Forschungseinrichtungen arbeiten in diesem Netzwerk gemeinsam darauf hin, neueste Erkenntnisse und Forschungsideen zur Lumineszenzdatierung sowie aktuelle Entwicklungen aus der angewandten Informatik in die Weiterentwicklung des Software-Pakets zu integrieren. Die organisatorische Leitung liegt bei Dr. Christoph Schmidt am Lehrstuhl für Geomorphologie der Universität Bayreuth.
"Schon in den kommenden Monate sind hier in Bayreuth und an anderen Standorten Netzwerktreffen geplant, die nicht allein der Koordination der Forschungsarbeiten, sondern auch dem Austausch mit international renommierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dienen, deren Spezialkenntnisse wir nutzen wollen", berichtet der Bayreuther Projektleiter. "Präsentationen auf nationalen und internationalen Tagungen werden dazu beitragen, die neu erarbeiteten Software-Funktionen in der Fachwelt bekannt zu machen.