Die »Casa di Arianna«
Ein Schlüssel zu den Anfängen der Stadt
Die Erforschung der antiken Alltagswelt und ihre moderne Interpretation sind in hohem Maße von der Architektur und den spektakulären Funden aus Pompeji geprägt. Bereits seit dem 18. Jahrhundert wird die größte zusammenhängende Stadtruine des europäischen Altertums nach und nach von den Aschemassen des Vesuvausbruchs von 79 n. Chr. befreit. Doch trotz der langen Forschungsgeschichte liegen gerade die Anfänge der Stadt noch weitgehend im Dunkeln. Die Beschäftigung mit den frühen Phasen der Stadt verspricht wertvolle Erkenntnisse zur Entwicklung urbaner Lebensformen in Unteritalien, die von vielschichtigen kulturellen Austauschprozessen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen Italiens geprägt war. Einen Beitrag zu dieser Frage leistet ein neues Projekt des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI) der ÖAW, das sich am Forschungsprojekt »Casa di Arianna« des Archäologischen Instituts der Stadt Valencia, Spanien, beteiligt. Ein Schlüssel zu den Anfängen von Pompeji liegt nämlich in der Bau- und Nutzungsgeschichte jenes Areals, auf dem die Casa di Arianna, eines der repräsentativsten Anwesen mit ca. 1700m², errichtet wurde. Am Beginn der Arbeiten des ÖAI stand die detailgenaue Dokumentation der Hausmauern bis hin zu den Kellerräumen, um die baugeschichtlichen Zusammenhänge des Hauses und seiner Umgebung zu erforschen. Erstmals wurde in der Casa di Arianna eine verformungsgetreue Bestandsaufnahme der Architektur mittels 3D-Laserscanning, Drohnenbefliegung, photogrammetrischer Verfahren und traditionellem Handaufmaß durchgeführt.
Wachstum und Veränderung
Die Casa di Arianna wurde in einer ersten Form im 2. Jh.v.Chr. nördlich der »Altstadt« von Pompeji errichtet. Sie ist Teil eines Häuserblocks, der den Ausgleich zwischen dem kleinteiligen Straßengeflecht der »Altstadt« und der regelmäßig angelegten Regio VI, einem Stadtviertel im Nordwesten von Pompeji, herstellte. Eine der Hauptfragen des Projekts wird daher sein, inwieweit die schrittweise Bebauung dieses Häuserblocks auf ältere Strukturen oder eine ältere räumliche Gliederung des Stadtareals, wie etwa Straßenzüge oder Befestigungsanlagen, Rücksicht nahm.
Mit dem Wachstum der Stadt waren auch urbane Veränderungen, wie das Entstehen innerstädtischer Wirtschaftsbetriebe verbunden. Um mehr Informationen über die Nutzung der Casa di Arianna zu erhalten, untersucht das ÖAI gemeinsam mit den spanischen Kolleg/innen die zahlreich erhaltene Keramik mit einem Schwerpunkt auf Transportamphoren, in denen meist Wein, Öl oder Fischsaucen transportiert, aufbewahrt und verarbeitet wurden. Amphoren gelten als wesentliche Informationsquelle für das Verständnis antiker Lebensmittelindustrie und Handel, weshalb von diesem Schwerpunkt viele neue Erkenntnisse zu erhoffen sind.