Die Lastschiffe, sogenannte Prahme, waren einfach und doch so funktionell konstruiert, dass sie quer durch Europa auf Flüssen und Seen zum Einsatz kamen. Bis heute dienen sie Schiffbauern als Vorbild. Umso mehr überrascht, dass die Nachwelt nur wenig über die Prahme weiß. Wissenschaftler der Universität und der Hochschule in Trier haben nun mit einem originalgetreuen Nachbau bei Messfahrten auf der Mosel Daten gesammelt.
Viele Fragen zu den Prahmen sind nach wie vor offen: Wie wurden sie angetrieben? Welche Geschwindigkeiten erreichten sie? Wie viel Besatzung war erforderlich? Wie hoch waren die Ladekapazitäten? Auf welchen Gewässern konnten sie eingesetzt werden?
Zumindest in der letzten Frage sind der Althistoriker Christoph Schäfer und der Maschinenbauer Karl Hofmann von Kap-herr nach den Testfahrten einen bedeutenden Schritt weiter. Als erste Wissenschaftler haben sie einen Prahm unter Segel gesetzt. "Mit Blick auf die Konstruktion des Schiffes war eher davon auszugehen, dass man es nicht segeln kann. Umso mehr hat uns überrascht, dass der Prahm sogar erstaunlich gute Segeleigenschaften zeigte. Daraus lässt sich zuverlässig ableiten, dass die Römer diesen Schiffstyp nicht nur durch Treideln oder Staken angetrieben haben, sondern auch durch Segeln. So konnte Fracht über Hunderte von Kilometern transportiert werden", erklärt Christoph Schäfer den außergewöhnlichen Befund.
Verblüffend waren zudem die Geschwindigkeiten, die der zehn Meter lange Prahm-Nachbau auf der Mosel erreichte. "5,7 Knoten bei halbem Wind sind ein sehr beachtlicher Wert", erklärte Karl Hofmann von Kap-herr. Aufgabe von Studierenden des Maschinenbaus war es, zu klären, wie effektiv die drei Fortbewegungsarten Staken, Treideln und Segeln bei einem römischen Prahm eingesetzt werden konnten. Dafür haben sie Messeinrichtungen entwickelt, gefertigt und auf dem Schiff installiert. Das Instrumentarium ist so konzipiert, dass auch historisch unterschiedliche Rahmenbedingungen wie etwa die veränderte Fließgeschwindigkeit der Mosel ausgeklammert werden können. Besser als erwartet war nicht nur die Geschwindigkeit, sondern auch das Verhalten im Wasser. "Wir hatten vorsorglich Seitenschwimmer zur Stabilisierung des Bootes gebaut, die wir aber nach der ersten Versuchsfahrt wieder entfernen konnten, da keine Kentergefahr bestand", berichtete Karl Hofmann von Kap-herr.
Die Messfahrten haben belegt, dass Prahme segeltüchtig waren und nicht nur von Treidlern an Land gezogen oder mit langen Bootsstangen angestoßen (gestakt) werden konnten. Die neuen Einblicke in Transportgeschwindigkeiten, Transportrhythmen und Frachtkapazitäten eröffnen den Historikern ein besseres Verständnis des Binnentransports, des Handels sowie der Versorgung von Truppen und Bevölkerung. Im weit ausgedehnten Römischen Reich war eine funktionierende und optimierte Transportlogistik unabdingbar.
Auch die Forschungen zur regionalen Geschichte und zur Baugeschichte profitieren von den Studien mit dem Prahm-Nachbau. Sie könnten beispielsweise neue Erklärungen liefern, wie es den Römern gelang, immerhin rund 18.000 Tonnen Material für den Bau der Römerbrücke in Trier - heute UNESCO-Welterbe - zu bewegen.
Den 10 Meter langen und 1,70 Meter breiten Nachbau eines römischen Prahm haben Lehrer und Schüler der Berufsbildenden Schule Wittlich in einem Projekt im Maßstab 1:2 angefertigt. Vorbild ist ein hervorragend erhaltener Fund eines Wracks aus Bevaix am Lac de Neuchâtel. Im Oktober vergangenen Jahres übergab die Schule das auf den Namen Secundinia getaufte Schiff zu wissenschaftlichen Zwecken an die Universität Trier.
Die zuverlässige Erhebung und Auswertung von relevanten Messdaten zur Leistungsfähigkeit und zu den nautischen Eigenschaften des Prahms ist das Ergebnis einer interdisziplinären Kooperation der Alten Geschichte der Universität Trier mit der Fachrichtung Maschinenbau der Hochschule Trier. In das gemeinsame Projekt sind Studierende beider Hochschulen eng eingebunden. Für sie ist es eine hervorragende Gelegenheit, die im Studium erworbenen Fähigkeiten in der Praxis anzuwenden und zu vertiefen. Gefördert wird das Projekt durch die Nikolaus Koch Stiftung.