Außergewöhnlich ist auch das Format der Pergamentrolle, die auf einer Länge von fast sieben Metern bei gut 30 Zentimetern Breite einen Bereich von Spanien bis Indien extrem verzerrt abbildet. Seit ihrer Publikation 1598 wirft die Tabula Peutingeriana, die von der UNESCO im Jahr 2007 zum Weltdokumentenerbe erklärt wurde, zahlreiche Fragen auf und befeuert damit den wissenschaftlichen Diskurs über antike und mittelalterliche Geographie. Dabei zeigen viele Publikationen der letzten Jahrzehnte, dass dieses einzigartige Zeugnis der Kartographiegeschichte bisher mehr be- als erforscht wurde. Der Lehrstuhl für Alte Geschichte der KU von Prof. Dr. Michael Rathmann befasst sich deshalb im Zuge des DFG-Projektes mit der Kommentierung der Tabula. Ziel dieser Arbeit ist ein ausführlicher Kommentar der ca. 3500 Toponyme (Orte, Inseln, Berge, Flüsse, etc.) sowie die digitale Aufarbeitung und Bereitstellung der Ergebnisse in einer frei zugänglichen Online-Datenbank.
Eine internationale Tagung in der Wiener Nationalbibliothek versammelte nun 30 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus neun Ländern mit dem Forschungsschwerpunkt »Antike Geographie«, um aktuelle Forschungsansätze und Ergebnisse zu diskutieren. Dabei wurden die Arbeit des Lehrstuhls sowie die aktuellen Forschungsansätze und neuen Ergebnisse einem breiten akademischen Publikum präsentiert und diskutiert. Die Tagungsteilnehmer befassten sich dabei nicht nur mit der Darstellung einzelner Gebiete der antiken Welt auf der Tabula Peutingeriana selbst, sondern besonders auch mit Fragen zum Kopierprozess von der antiken Vorlage bis hin zur deren mittelalterlichen Kopie.
Im Fokus der Diskussion stand vor allem die Frage nach der Datierung der antiken Vorlage. Mit Richard Talbert (Chapel Hill), Ekkehard Weber (Wien) und Michael Rathmann (Eichstätt) waren dabei die Vertreter der drei zentralen Entstehungsthesen an einem Ort versammelt. Während Talbert die Vorlage der Tabula in die Spätantike einordnet (ca. 300 n. Chr.), sieht Weber ihre Entstehung im Kontext der Agrippa-Karte (ca. 13 v. Chr.), Rathmann dagegen hält sie für ein Produkt des Frühhellenismus (ca. 250 v. Chr.). Aufgrund dieser stark differierenden Entstehungstheorien rückt die Forschung derzeit davon ab, nur nach der exakten Datierung der Vorlage zu fragen und richtet ihren Blick stärker auf die Herausarbeitung der einzelnen antiken Bearbeitungsstufen der Karte, die immer mehr als ein »work in progress« gedeutet wird.
Den Höhepunkt der Tagung bildete für alle Teilnehmer deshalb die Besichtigung der Tabula Peutingerina im Original, die sich seit 1738 im Besitz der Wiener Hofbibliothek befindet. Über eine Stunde lang durften sich alle Teilnehmer selbst vom Erhaltungszustand überzeugen und erhielten Einblick in die Arbeit der Restauratoren der Nationalbibliothek.
Den Abschluss der Tagung bildete schließlich die Präsentation der Eichstätter Datenbank, die nun frei verfügbar ist und Informationen zu sämtlichen Toponymen auf der Tabula Peutingerina liefert wie Belegstellen bei antiken Autoren, Datierungsvorschläge, weiterführende Literatur und ausführliche Kommentare zu den Toponymen selbst.