Das UNESCO-Welterbekomitee setzt sich aus 21 gewählten Vertragsstaaten der Welterbekonvention zusammen. Es entscheidet in der Regel jährlich über die Einschreibung neuer Kultur- und Naturstätten in die Welterbeliste und befasst sich mit dem Erhaltungszustand eingeschriebener Stätten. Auf der Liste des UNESCO-Welterbes stehen nun 1.223 Kultur- und Naturstätten in 168 Ländern. 56 davon gelten als bedroht. Deutschland verzeichnet 54 Welterbestätten.
Aus archäologischer Sicht sind vor allem folgende neuen Welterbestätten interessant:
Europa
Via Appia. Regina Viarum (Italien)
Die Via Appia, auch bekannt als die Königin der Straßen, erstreckt sich von Rom bis nach Brindisi und war eine wichtige Handels- und Militärroute des antiken Rom. Ab 312 v. u. Z. ursprünglich errichtet, um die Ewige Stadt mit Capua zu verbinden, wurde die Straße mehrfach erweitert und ebnete als gut ausgebauter Verkehrsweg schließlich der römischen Eroberung Kleinasiens den Weg. Die erhaltenen Abschnitte und archäologischen Stätten entlang der Straße zeugen von der ingenieurtechnischen Meisterleistung und historischen Bedeutung der Via Appia, die ein bedeutendes Zeugnis römischer Geschichte ist.
Grenzen des Römischen Reiches – Dakien (Rumänien)
Die Grenzen des Römischen Reiches im heutigen Rumänien umfassen zahlreiche archäologische Stätten entlang einer Strecke von mehr als 1.000 Kilometern, die die Präsenz Roms in Südosteuropa dokumentieren. Als einzige römische Provinz lag Dakien vollständig nördlich der Donau und wurde durch ein komplexes System von militärischen Einrichtungen und zivilen Siedlungen geschützt. Die Überreste der Grenzanlagen bieten wertvolle Einblicke in die Geschichte des antiken Reichs und zeugen von seinem Einfluss in der Region.
Afrika
Melka Kunture und Balchit: Archäologische und paläontologische Stätten im Hochland von Äthiopien (Äthiopien)
Melka Kunture und Balchit im äthiopischen Hochland sind bedeutende Fundstätten von prähistorischen Werkzeugen und Fossilien, die bis zu zwei Millionen Jahre alt sind. Sie bieten wertvolle Einblicke in die Evolutionsgeschichte des Menschen. Unter anderem konnte hier der früheste Einsatz des Gesteinsglases Obsidian als Werkzeug nachgewiesen werden. Die Welterbestätte ist ein Schlüsselort für das Verständnis der frühen menschlichen Entwicklung und bietet einzigartige Möglichkeiten für archäologische und paläontologische Forschung.
Königlicher Hof von Tiébélé (Burkina Faso)
Der Königliche Hof von Tiébélé liegt am Fuße des Tchébili-Hügels im Süden von Burkina Faso. Er ist ein herausragendes Beispiel für die traditionelle Architektur der Kassena, einer Bevölkerungsgruppe, die in Burkina Faso und Ghana beheimatet ist. Kunstvoll dekorierte Lehmhäuser spiegeln die soziale Organisation der Kassena wider: Unterschiedlich angelegte Anwesen sind ganz bestimmten Gruppen vorbehalten. Junge verheiratete Paare leben in Gebäuden mit quadratischem Grundriss, unverheiratete Männer in Häusern mit rundem. Die dekorativen Elemente der Bauwerke mit ihren geometrischen Mustern und leuchtenden Farben dienen dem Schutz vor der Hitze und gelten als Ausdruck kultureller Identität.
Ruinenstadt und archäologische Stätte von Gedi (Kenia)
Die Ruinen von Gedi an Kenias Ostküste sind die Überreste einer einst blühenden Swahili-Stadt. Zwischen dem 10. und 17. Jahrhundert war Gedi Teil eines Handelsnetzwerks, das den Indischen Ozean überspannte und afrikanische Orte entlang der Küste und im Binnenland mit Häfen rund um das Arabische Meer und Südasien verband. Die Ruinenstadt bietet wertvolle Einblicke in Baukunst und Stadtplanung, aber auch den Alltag der Swahili-Kultur und ist ein herausragendes Zeugnis des reichen kulturellen Erbes und der Geschichte Ostafrikas.
Die Entstehung des modernen Menschen: Die pleistozäne Besiedlung Südafrikas (Südafrika)
Der Diepkloof Rock Shelter, Pinnacle Point und die Sibudu-Höhle sind archäologisch bedeutende Fundstätten in Südafrika, die bis zu 162.000 Jahre alte Belege für die Entwicklung modernen menschlichen Verhaltens liefern. Hier lässt sich erkennen, wie der frühe Mensch die Fähigkeit zum symbolischen Denken erwarb und zunehmend fortschrittliche Technologien zum Einsatz brachte, etwa die Hitzebehandlung von Stein zur Werkzeugherstellung.
Vorderasien
Hilarionkloster / Tell Umm Amer (Palästinensische Gebiete)
Die Ruinen des Hilarionklosters im Gazastreifen zeugen von der Entwicklung des frühen Christentums im Nahen Osten. Der Klosterkomplex war einer der größten seiner Art in der Region. Die Anlage umfasste unter anderem zwei Kirchen, Friedhof und Taufhalle, einen Empfangssaal und Speiseräume. Das gut ausgestattete Kloster verfügte über Zisternen, Lehmöfen und Entwässerungskanäle. Die Stätte wurde im Rahmen eines Notfallmechanismus in die Welterbeliste aufgenommen. Sie gilt durch den andauernden Konflikt im Gazastreifen als bedroht und wurde zugleich in die Liste des gefährdeten Welterbes eingeschrieben.
Umm Al-Jimāl (Jordanien)
Umm Al-Jimāl im Norden Jordaniens bewahrt die Überreste einer ländlichen Siedlung der Hauran-Region. Der Ort entstand um das 5. Jahrhundert auf den Überresten einer römischen Siedlung und war bis ins 8. Jahrhundert bewohnt. Die gut erhaltenen Ruinen bieten wertvolle Einblicke in die antike Stadtplanung und Baukunst. Der Ort war in drei Stadtvierteln angeordnet, umfasste zahlreiche mehrstöckige Häuser samt Höfen und zählte nicht weniger als 16 Kirchen. Umm Al-Jimāl ist ein bemerkenswertes Dokument des Lebens in der damaligen Zeit fernab urbaner Zentren.
Hegmataneh (Iran)
Im Nordwesten des Iran befinden sich die Überreste des antiken Hegmataneh, das von drei Jahrtausenden ununterbrochener menschlicher Besiedlung zeugt und für das Verständnis der persischen Zivilisation von großer Bedeutung ist. Hier kreuzten sich wichtige Handels- und Pilgerrouten, wodurch die Stadt an einem intensiven kulturellen Austausch teilhaben konnte. Diese Geschichte spiegelt sich bis heute im reichen und vielfältigen archäologischen Erbe des Orts.
Die Kulturlandschaft der archäologischen Stätte Al-Faw (Saudi-Arabien)
An der Kulturlandschaft von Al-Faw im Südwesten Saudi-Arabiens lässt sich die menschliche Besiedlung der Region von der Altsteinzeit bis zur späten vorislamischen Ära erkennen. Sie zeigt, wie sich Zivilisationen an einst feuchte, später extrem trockene Umgebungen anpassten. Neben Werkzeugen und Grabanlagen aus verschiedenen Epochen zeugen die Überreste der antiken Karawanenstadt Qaryat al-Faw von einer hochentwickelten Oasenwirtschaft, die zum kulturellen Reichtum der Region beitrug.
Asien
Kulturlandschaft Kenosero-See (Russische Föderation)
In der Kulturlandschaft des Kenosero-Sees im Nordwesten Russlands spiegelt sich eine bäuerliche Lebensweise, die sich nach der slawischen Besiedlung des Gebiets seit dem 12. Jahrhundert entwickelt hat. Hier finden sich ländliche Siedlungen, die in eine Umgebung aus Seen und Flüssen, Wäldern und Feldern eingebettet und von volkstümlicher Holzarchitektur – insbesondere Holz-Kirchen und Kapellen – geprägt sind. Mehr als 1.500 Holzbauwerke werden bis heute in der Region bewahrt.
Moidams – Grabhügelsystem der Ahom-Dynastie (Indien)
Die Moidams in Nordostindien sind Hügelgräber, die als letzte Ruhestätten von Herrschern und Adligen der Ahom-Dynastie dienen. Die Nekropole wurde zwischen dem 13. und 19. Jahrhundert nach den Glaubensvorstellungen der Ahom gestaltet: Eingebettet in ihre natürliche Umgebung, wurden zwischen den Hügelgräbern Gewässer angelegt und heilige Bäume gepflanzt. Die Moidams sind archäologisch wertvoll und ein bedeutendes Beispiel für die Bestattungstraditionen der Ahom.
Pekings Zentralachse: Ein Gebäudeensemble, das die Ordnung der chinesischen Hauptstadt zeigt (China)
Pekings Zentralachse verläuft von Nord nach Süd durch das historische Zentrum der Millionenmetropole. Ordnung und Struktur des Straßenzugs orientieren sich am Kao Gong Ji, einem klassischen Werk über Wissenschaft und Technologie aus dem frühen China, und sind Ausdruck des konfuzianischen Ideals von Symmetrie und Balance. Die Anlage hat ihren Ursprung in der Yuan-Dynastie, die China im 13. und 14. Jahrhundert beherrschte, und wurde während der Ming- und Qing-Zeit bis ins 20. Jahrhundert hinein weiterentwickelt. Heute reihen sich entlang der Zentralachse unter anderem der Jingshan-Park, die Verbotene Stadt und das Tor des Himmlischen Friedens am Tiananmen-Platz.
Goldbergwerke der Insel Sado (Japan)
Die Bergwerke auf der Insel Sado zeugen von der Geschichte des Goldabbaus vor Japans Westküste. Hier werden zwei wesentliche Entwicklungsphasen des Bergbaus sichtbar: Die ersten Minen der bereits früh für ihren Gold- und Silberreichtum bekannten Insel wurden im 12. Jahrhundert dokumentiert. Später wurden fortschrittliche Fördertechnologien aus China und Korea übernommen, was Japan im 17. Jahrhundert zu einem der weltweit führenden Goldproduzenten aufsteigen lies. Diese Entwicklung lässt sich auf Sado an bis heute erhaltenen historischen Schächten, Verarbeitungsanlagen und Wohngebäuden nachvollziehen.
Phu Phrabat: Zeugnis der Sima-Stein-Tradition der Dvaravati-Zeit (Thailand)
Sīma-Steine sind spezielle Grenzmarkierungen, die in der buddhistischen Tradition verwendet werden, um den heiligen Bereich eines Tempels oder Klosters zu markieren. Die Steine werden nach vorgeschriebenen Mustern aufgestellt. Die weltweit bedeutendste Sammlung von Sīma-Steinen befindet sich auf der Khorat-Hochebene im Nordosten Thailands und wird im Geschichtspark Phu Phrabat für die Nachwelt bewahrt. Sie geht auf die Dvaravati-Zeit, eine Kulturepoche zwischen dem 7. und 11. Jahrhundert, zurück. In der Welterbestätte spiegelt sich die reiche kulturelle und religiöse Geschichte der Region wider.
Das archäologische Erbe des Höhlenkomplexes im Niah-Nationalpark (Malaysia)
Der Höhlenkomplex im Niah-Nationalpark auf Borneo ist eine bedeutende archäologische Stätte, die bis zu 50.000 Jahre alte, prähistorische Funde und Überreste menschlicher Besiedlung beherbergt. Sie belegen den Übergang von Jäger- und Sammlerkulturen hin zu landwirtschaftlichen Methoden wie Reis- und Gemüseanbau. Der Komplex bietet damit wertvolle Einblicke in die Frühgeschichte und Entwicklung des Menschen in Südostasien.
Ozeanien
Te Henua Enata – Die Marquesas-Inseln (Frankreich)
Die Marquesas-Inseln im Südpazifik gelten als eines der abgelegensten Archipele der Welt. Steile Berge, wolkenverhangene Gipfel und tiefe Täler prägen die Landschaft. Die Inseln zeichnen sich durch eine äußert vielfältige Tier- und Pflanzenwelt aus. Zahlreiche der hier heimischen Arten kommen aufgrund der isolierten Lage nur auf den Marquesas vor. Die Inselgruppe wurde etwa um das Jahr 1000 durch die Ènata besiedelt. Bis heute zeugen zahlreiche archäologische Funde vom reichen Erbe ihrer polynesischen Kultur. Nach der Ankunft der ersten Europäer wurden die Inseln 1842 von Frankreich annektiert.