Musawwarat es-Sufra ist einer der bedeutendsten Fundplätze des meroitischen Reichs, dessen Könige von ca. 300 v. Chr. bis 350 n. Chr. über das mittlere Niltal südlich von Ägypten herrschten. Der Ort liegt 180 km nördlich der sudanesischen Hauptstadt Khartoum und 35 km östlich des Nil in der semiariden Landschaft der Keraba, die vom Nil im Westen und dem Fluss Atbara im Osten eingefasst wird und von antiken Schriftstellern als "Insel Meroe" bezeichnet wurde. In dem mehrere Kilometer breiten Talkessel von Musawwarat etablierten die meroitischen Könige vermutlich im 3. Jahrhundert v. Chr. einen einzigartigen Sakralplatz. Sein Zentrum ist die sogenannte Große Anlage. Auf einer Grundfläche von mehr als 42.000 Quadratmetern vereint sie drei Tempel, die zum Teil auf künstlichen Terrassen errichtet sind, durch Gänge und Rampen miteinander verbunden und von riesigen Hofarealen umgeben sind. Die Sandsteinmauern der Großen Anlage tragen tausende Graffiti antiker Besucher, darunter auch die südlichste weltweit bekannte lateinische Inschrift. Sowohl in ihren einzelnen Komponenten wie in der Gesamtstruktur ist die Große Anlage singulär in der Architektur des Niltals. Musawwarat war Teil des Gruppenantrags "Island of Meroe", der mit Meroe und Naqa noch zwei weitere Fundplätze der Region umfasste.
Archäologen der Humboldt-Universität zu Berlin arbeiteten dort bereits von 1960 bis 1970. Zum Abschluss dieser Grabungsperiode konnte der Tempel des Löwengottes Apedemak, der unweit der Großen Anlage freigelegt worden war, vollständig wiedererrichtet werden. Sein reicher Reliefschmuck gehört zu den wichtigsten Zeugnissen frühmeroitischer Kunst und Religion. 1995 wurden die Grabungen vor Ort erneut aufgenommen. Seit 2005 forscht ein Team der Humboldt-Universität unter Leitung von Prof. Dr. Claudia Näser vom Institut für Archäologie, Lehrbereich Ägyptologie und Archäologie Nordostafrikas an der Humboldt-Universität zu Berlin vor allem zum Dekor der Großen Anlage sowie zur Frage, warum ein so marginaler Ort wie Musawwarat zu einem der wichtigsten Heiligtümer seiner Epoche entwickelt wurde und wie er logistisch unterhalten werden konnte. „Der Eintrag des Ortes in die UNESCO-Welterbeliste trägt sowohl seiner kulturhistorischen Bedeutung wie den Bemühungen um seine Erhaltung Rechnung“, sagt Prof. Claudia Näser.
Jüngste Grabungen konzentrierten sich auf den Großen Hafir, ein künstliches Wasserreservoir, das mit 200 Metern Durchmesser das größte Bodendenkmal des Sudans ist. „Da die Denkmäler von Musawwarat durch die klimatischen Bedingungen – Hitze, Sandstürme und die Wasserfluten der Regenzeit – sowie durch den stark zunehmenden Tourismus akut von Zerstörung bedroht sind, gehören auch umfangreiche Restaurierungsmaßnahmen zum Arbeitsprogramm unseres Archäologen-Teams“, informiert Claudia Näser.