Archäologinnen und Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) und das Team um den Unterwasserarchäologen Dr. Martin Mainberger aus Staufen im Breisgau hatten die Reste mit schwerem Gerät und unter hohem Aufwand geborgen und intensiv untersucht. Seit November 2020 lagert das alte Eichenholz in den Restaurierungswerkstätten der LWL-Archäologie für Westfalen in Münster. Am Dienstag (18.1.) wurde es nach Schleswig transportiert.
»Große Bedeutung für Westfalen«
»Der Fund des Wracks ist auch drei Jahre nach seiner Entdeckung immer noch hoch faszinierend und von großer Bedeutung für die Archäologie Westfalens. Wir werden in den kommenden Jahren noch viele Geheimnisse lüften können, denn die Forschungsarbeit hat gerade erst begonnen«, sagt LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger.
Seitdem das Holz aus den Tiefen der Lippe geborgen wurde, sind zahlreiche Untersuchungen durchgeführt worden. Schnell waren die Beteiligten sich darüber einig, dass eine umfangreiche Konservierung durch Fachleute nötig sein wird.
Prof. Michael Baales, Leiter der LWL-Archäologie-Außenstelle in Olpe, begleitet das Wrack seit seiner Entdeckung: »Es hat erste Analysen der Moose aus der Kalfatmasse gegeben, also der Dichtmasse zwischen den Fugen der einzelnen Planken«, so Baales. Offenbar kamen für die Herstellung dieser Dichtmasse mehrere Moosarten zum Einsatz, die damals noch in Westfalen heimisch waren. Das spreche für den Bau des Bootes hier in Westfalen, so die erste Einschätzung.
Zudem hat es weitere Untersuchungen zur Altersbestimmung des Holzes gegeben: »Die ersten Datierungen wiesen ja auf die Mitte des 12. Jahrhunderts als Bauzeit. Das konnte durch die Analyse weiterer Holzproben bestätigt werden«, sagt Baales.
Dr. Thorsten Westphal, Dendroarchäologe von der Universität zu Köln, konnte ermitteln, dass die Eichen zwischen 1132 und 1164 gefällt wurden. Auch ein Stück Holz, dass in einer großen Seitenplanke, eingesetzt worden war, liegt mit einem Fälljahr von 1147 ziemlich genau in der Mitte.
Dieses eingesetzte Holzstück haben die Fachleute bisher als Reparaturmaßnahme interpretiert, aber nach den aktuellen Untersuchungen ist man auch hier schlauer:
»Zu vermuten ist, dass gut gelagerte Eichen verbaut wurden und dass der vermeintliche Reparatureinsatz gar keiner ist, sondern eine von vornhinein problematische Wuchsstelle in der Eiche für die Seitenplanke verbessert wurde«, erklärt Baales.
Konservierung im Becken
Seit die Hölzer im Restaurierungslabor des LWL angekommen sind, kümmert sich Chef-Restaurator Sebastian Pechtold um das Wrack: »Das Holz wurde hier in Leitungswasser gelagert, um es bis zum Transport zu den Kolleg:innen in Schleswig fit zu halten«, sagt Pechtold. Nun soll das Wrack dort, in den großen Konservierungsbecken des Museums für Archäologie Schloss Gottorf, über mehrere Jahre konserviert werden. Pechtold: »Dazu sind hohe und weite Räume mit großen Becken und Hebeeinrichtungen nötig, und wir freuen uns über die Unterstützung.« Er selbst begleitet die Bootsteile bei ihrem Transport in einem 7,5-Tonner in den Norden. »Wo und wie das Wrack nach seiner Konservierung einmal ausgestellt werden wird, steht noch nicht fest. Sicher ist aber, dass es für die Westfalen und Westfälinnen zugänglich gemacht werden soll«, so Rüschoff-Parzinger.
Allerdings stehen erst noch ein paar weitere Untersuchungen an: Anhand der Wuchsmuster des Holzes hoffen die Fachleute rekonstruieren zu können, welche Teile aus den Eichenstämmen zum Bau des Bootes genutzt wurden. Baales: »Das würde uns mehr Informationen über die Baugeschichte des Lippeschiffes bringen. Außerdem erhofft sich das Team weitere Erkenntnisse aus anstehenden Pollenanalysen durch die Universität Köln. Dann könnten sich Fragen zum botanischen Umfeld der Wuchsstandorte der genutzten Moose klären: Wie hat die Umwelt vor rund 850 Jahren ausgesehen, als die Menschen in den westfälischen Wald gingen, um die Eichen für das Lippeboot zu schlagen?