Im Bereich des von der katholischen Pfarrgemeinde St. Alexius in Herbolzheim geplanten Gemeindezentrums werden auf dem Gebiet des ehemaligen Friedhofs die Reste einer bislang unbekannten spätmittelalterlichen Bebauung seit dem 6. Juli 2015 im Rahmen einer baubegleitenden Rettungsgrabung untersucht.
Im Bereich der nach 1752 angelegten Friedhoferweiterung kamen erwartungsgemäß zahlreiche Gräber zutage. Jenisch erläuterte die charakteristische spätmittelalterliche Bestattungssitte und ging auf einige der dort gefundenen Grabbeigaben ein. Anhand einiger anthropologisch untersuchter Schädelfragmente konnten aufschlussreiche Befunde zum Gesundheitszustand und zu den Lebensumständen der damaligen Menschen erhoben werden.
Die eigentliche Überraschung der baubegleitenden Ausgrabung ist der Nachweis eines großen, bislang unbekannten Gebäudes. Seine 80 cm breiten Fundamente wurden auf einer Länge von 11 m erfasst. Bei dem wohl im 14. Jahrhundert errichteten und beim Neubau der Kirche 1752 niedergelegten Gebäude handelt es sich vermutlich um einen Teil des Wittumhofs (Wirtschaftshof des Pfarrers). Unmittelbar nach der Vorstellung der Baustrukturen wurden die frisch geborgenen Funde erläutert.
Der Herbolzheimer Kirchberg ist einer beiden alten Siedlungskerne von Herbolzheim. Das Gebiet zwischen der Abdachung des Herbolzheimer Bergs und der Landstraße war seit dem 13. Jahrhundert von einer massiven, ca. 10 m hohen Wehrmauer umgeben. Diese hat sich in der Rückwand der Gebäude am Südrand des Kirchbergs erhalten. In dem südlich vorgelagerten Geländestreifen zeichnet sich der im Tennenbacher Güerbuch genannte Kirchgraben ab. In einem Güterverzeichnis wird am 31.1.1287 das "Tor des kilchhofs" erwähnt. Diese Kirchenburg war ursprünglich im Besitz des Straßburger Bischofs.
Bereits beim Neubau der heute bestehenden St-Alexius-Kirche stieß man 1752 bei Planierarbeiten östlich der alten Kirche (unter dem heutigen Chor der Kirche) auf älteres Mauerwerk. Nach einer Beschreibung (durch den damaligen Pfarrer Machleid?) lagen die Fundamente dicht unter der Geländeoberfläche. Die Mauern wurden einer untergegangenen Niederlassung des Templerordens zugeschrieben. Für diese gibt es in den Archivalien jedoch keinen Beleg. Es handelt sich wohl eher um die baulichen Überreste des abgegangenen Wittumshofs. Die Abspaltung vom Herrenhof diente zur Versorgung des Pfarrers. Er wird im frühen 14. Jh. im Tennenbacher Güterbuch genannt.
Bei der umfassenden Renovierung der Alexiuskirche im Jahr 1964 erfasste man beim Einbau einer Heizanlage im Langhaus auf die Fundamentreste der 1752 niedergelegten Vorgängerkirche. Diese wurden nicht fachgerecht dokumentiert und eingemessen, jedoch als Skizze in den Bestandsplan eingetragen. Demnach war die Mittelachse der alte Kirche abweichend vom heutigen Bau um etwa 10° nach Süden gedreht. Die Rechteckkirche mit eingezogener halbrunder Apsis war etwa 14 m breit und 25 m lang und damit etwa 1/3 kleiner als der heutige Kirchenbau.