Messer, Münzen, Musketenkugeln: Einblicke in Wallenstein’sches Lager

Wo 1632, während des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648), der kaiserliche Feldherr Albrecht von Wallenstein seine Soldaten im Kampf gegen die Schweden befehligte, steht heute das jüngste Neubaugebiet der Stadt Stein bei Nürnberg, das Blumenviertel. Die bauvorgreifenden archäologischen Grabungen (Mai 2022 bis März 2023) auf der Fläche im Westen der Stadt Stein haben sich für die bayerische Bodendenkmalpflege als ergiebige Fundquelle erwiesen: Zwei Jahre nach Ende der Grabungen beschäftigen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege (BLfD) noch immer mit den Funden – und können neue Schlüsse über das Leben in einem der größten befestigen Heerlager des 17. Jahrhunderts ziehen.

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Metallreifendepot aus dem Heerlager
Metallreifendepot aus dem Heerlager. Foto: FA. AST - Archäologischer Service Tschuch

"Die erste große Überraschung war, bei den Grabungen überhaupt mitten im Heerlager Wallensteins zu landen. Der genaue Verlauf der Schanzlinien im Süden war gemäß historischer Kartierungen unklar. Jetzt wissen wir, dass sich das Wallenstein’sche Lager weiter nach Süden erstreckte als angenommen", sagt Dr. Stefanie Berg, Leiterin der Abteilung Bodendenkmalpflege am BLfD.

Die vom BLfD fachlich betreute Grabung brachte zahlreiche Funde zu allen Facetten des täglichen Lagerlebens zutage. So belegen etwa entsprechende Gruben, dass schon 1632 Abfälle bewusst zentral gesammelt und vergraben wurden. Knöpfe, Nadeln und Nadeldosenreste, Glas- und Keramikfragmente, Textilreste, Silberdraht, ein Fingerhut, Messer, Scheren, Nägel sowie ein Spinnwirtel (Gerät zum Verspinnen von Fasern zu Garn), eine Glasperle und zahlreiche Schnallen wurden geborgen – Anschauungsobjekte des ausgeprägten Lagerlebens, in dem nicht nur etwa 50.000 Soldaten mit ihren 15.000 Pferden lagerten, sondern auch ein Tross von circa 30.000 weiteren Menschen nachgewiesen ist: Familienangehörige, Händler, Gaukler, Prostituierte.

Die mit den Grabungen beauftragten Archäologinnen und Archäologen beförderten daneben auch einige Münzen ans Tageslicht, überwiegend Kreuzer von Kurfürst Maximilian I. von Bayern und Kaiser Ferdinand III. Sogar geschmolzene Butzengläser und Bleikugelreste wurden gefunden, wobei vermutet wird, dass die Butzenglasfenster zum Herausschmelzen des Bleis für die Herstellung von Musketenkugeln in das Lager gebracht worden waren. Verschiedene Depots mit Metallteilen machen zudem deutlich, dass beispielsweise Radreifen bewusst gesammelt und deponiert wurden; entweder zur späteren Weiterverwendung oder damit das Metall nach dem Abzug nicht der gegnerischen Seite zufiel.

Rätsel gibt den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am BLfD weiterhin ein Grab am Lagerrand auf, bei dem es sich um die bisher einzige vollständig archäologisch dokumentierte und aufwendig untersuchte Einzelbestattung des Heerlagers handelt. Die Ausrichtung des Skeletts – ein junger Mensch, vermutliche eine Frau – in Seitenlage weicht vollends von der üblichen christlichen Bestattungssitte ab. An einem Finger der linken Hand trug die Person einen Bronzering; mehrere Gewandhaken und -ösen und eine Kette aus einer Zinn-Blei-Legierung wurden in dem Grab gefunden. Die jüngsten Ergebnisse aus den Restaurierungswerkstätten des BLfD lassen nun eine Vermutung zur gesellschaftlichen Stellung der Person zu: zwei Textilreste aus Seide, Gold und Silber, in aufwendiger Technik verwoben, zeugen von einem sehr hochwertigen Stoff, in dem die Person gekleidet war. Sie weisen darauf hin, dass es sich um eine höher gestellte Person, vielleicht eine Offiziersfrau, gehandelt haben könnte. Wer die Person tatsächlich war, ob Mann oder Frau, woran sie starb und warum sie so ungewöhnlich aber sorgfältig bestattet wurde, wird sich vermutlich nicht mehr klären lassen; eine Herkunftsanalyse (Strontiumisotopenanalyse) hat hierzu keine weiteren Ergebnisse erbracht. Die Einordnung der Bestattung in den Kontext des Heerlagers konnte durch die Radiokarbondatierung eines Knochens allerdings bestätigt werden. 

Das Wallenstein’sche Lager: Im Sommer 1632 rückte das kaiserliche Heer unter Wallenstein in die Region von Nürnberg heran, um den schwedischen König Gustav Adolf II. und sein in Nürnberg verschanztes Heer zu stellen. Hierfür ließ der kaiserliche Feldherr westlich der Rednitz ein gewaltiges Heerlager mit Wällen, Redouten und vorgelagerten Forts errichten, das mit einer Gesamtlänge von mehr als 16 Kilometern um die heutigen Orte Zirndorf und Oberasbach im Landkreis Fürth verlief. Nach einigen kleineren Gefechten zogen die schwedischen Truppen ab; beide Feldherren trafen sich schließlich am 16. November 1632 in der verhängnisvollen Schlacht bei Lützen (Sachsen-Anhalt).

Bronzering aus Grab am Lagerrand
Bronzering aus dem Grab am Lagerrand. Foto: FA. AST - Archäologischer Service Tschuch
Kette aus Grab am Lagerrand
Die Kette aus einer Zinn-Blei-Legierung, gefunden im Grab am Lagerrand. Foto: FA. AST - Archäologischer Service Tschuch
Alltagsgegenstände aus dem Lager
Alltagsgegenstände aus dem Lager. Foto: FA. AST - Archäologischer Service Tschuch
Fingerhut aus dem Heerlager
Fingerhut, gefunden im Heerlager. Foto: FA. AST - Archäologischer Service Tschuch
Geschmolzene Butzengläser
Geschmolzene Butzengläser. Foto: FA. AST - Archäologischer Service Tschuch