Das erste Indiz auf den Alltag der Menschen am Übergang von der letzten Eis- zur heutigen Warmzeit hat ein Dachs auf dem Vorplatz der Höhle zum Vorschein gebracht. Er buddelte sich bis in die tieferen Schichten des Fundplatzes vor und förderte dabei Holzkohlen an die Oberfläche. Mit Hilfe der Radiokarbonmethode lässt sich das Alter des verkohlten Holzes relativ genau bestimmen. Die radioaktiven Kohlenstoffatome wurden untersucht und deuten auf ein Datum von 10.950 v. Chr. hin. »Das lässt vermuten, dass wir den menschlichen Zeugnissen aus der letzten Eiszeit sehr nahe gekommen sind und in den unteren Erdschichten noch weitere Funde und Befunde auf ihre Entdeckung warten«, resümiert Grabungsleiter Wolfgang Heuschen. Das beweist auch die Entdeckung einer Geschoss-Spitze, die als Rückenspitze bezeichnet wird. Ihre Form ist typisch für die späte Eiszeit, in die auch weitere Steinwerkzeuge dieser Grabungssaison vom Vorplatz der Blätterhöhle gehören dürften.
Damit ist das Grabungsteam, das von Studierenden der Ruhr-Universität Bochum, der Universität zu Köln - sowie von Volontären der LWL-Archäologie für Westfalen verstärkt wird, dem Vorhaben sehr viel näher gekommen, die Folge von Fundschichten an der Blätterhöhle zu erweitern. Zusätzlich wurde ein weiteres Erdprofil im Inneren der Höhle untersucht. »Hier erhoffen wir uns weitere Erkenntnisse für das Verständnis der Schichtenfolge und ihres Zustandekommens«, erläutert Projektleiter Dr. Jörg Orschiedt.
Die Blätterhöhle gehört zu den wichtigsten Fundorten für Relikte aus der Mittel- und Jungsteinzeit weit über Nordrhein-Westfalen hinaus. Immer wieder haben die Entdeckungen in und vor der Höhle deutschlandweit für Schlagzeilen gesorgt und die Forschungswelt nach Hagen blicken lassen.
Eigentlich waren Höhlenforscher des Arbeitskreises Kluterthöhle e. V. Hinweisen auf das Grundwasser und die Wasserverhältnisse in der Region auf der Spur, als sie 1983 die Blätterhöhle entdeckten. 2004 erkundeten sie einen Teil der vollständig mit Erde verfüllten Höhle. »Bei den Untersuchungen und Vermessungen stießen die Forscher auf Tier- und Menschenknochen, die sich als Sensationsfunde aus der Mittel- und Jungsteinzeit herausstellten«, erinnert sich Dr. Ralf Blank vom Historischen Centrum Hagen. 2006 schließlich begann die gezielte archäologische Erforschung unter der Leitung von Orschiedt durch die Stadt Hagen.
Denn die Menschenknochen in der Höhle sind hervorragend erhalten und machen Erkenntnisse zur Lebens-, Ernährungs- und Bestattungsweise der steinzeitlichen Menschen möglich. Sie stammen aus der späten Jungsteinzeit (3.900 bis 2.900 v. Chr.) und aus der Mittelsteinzeit (9.200 bis 8.600 v. Chr.). In diesen beiden Epochen nutzten die Menschen den Eingang zur Höhle nicht nur als Rastplatz, sie bestatteten im Inneren auch ihre Toten.
Der gute Erhaltungszustand der Knochen erlaubt eine kombinierte Analyse von verschiedenen darin enthaltenen chemischen Isotopen und des Genmaterials anhand der DNS. »Mit diesen Ergebnisse konnte nachgewiesen werden, dass rund 2.000 Jahre nachdem der Ackerbau und die Viehzucht in Mitteleuropa eingeführt worden ist, offenbar noch Menschen im Umfeld der Blätterhöhle lebten, die sich weiterhin wie die Jäger und Sammler von Jagd und Fischfang ernährten«, erläutert Prof. Dr. Michael Baales, Leiter der Olper Außenstelle der LWL-Archäologie für Westfalen. Der Nachweis der Parallelexistenz dieser beiden Wirtschaftssysteme war eine echte wissenschaftliche Sensation.
Außerdem konnten die Archäologen auf dem Vorplatz der Höhle binnen zehn Jahren eine Schichtenfolge erforschen, die bis zu 3,8 Meter tief reichte. 1,5 Meter unter der Erdoberfläche entdeckten sie einen 4 mal 1,5 Meter großen Kalksteinblock, bei dem es sich um das verstürzte Dach des Felsvorsprungs (Abri) handelte. In den unterschiedlichen Sedimenten waren verschiedene Feuerstellen, zahlreiche Steinwerkzeuge und Tierknochen erhalten, die von den mittelsteinzeitlichen Jägern und Sammlern bei ihren kurzen Aufenthalten zurückgelassen worden waren.
Die umfangreichen Forschungsarbeiten wurden unterstützt von der Stadt Hagen, der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), den Universitäten Köln , Mainz und Bochum und dem Land NRW.