Das Schlachtfeld von Lützen steht seit 2009 im Mittelpunkt eines internationalen Forschungsprojekts zur Schlachtfeldarchäologie, an dem neben Archäologen des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt und der Martin-Luther-Universität Halle auch Experten aus Schweden und Großbritannien beteiligt sind.
Bis vor kurzem kamen bei den archäologischen Untersuchungen vornehmlich Metallsonden zum Einsatz, mit deren Hilfe zahlreiche Bleikugeln von Musketen und Pistolen, Ausrüstungsgegenstände, Münzen, Gewehr- und Haubitzenkugeln sowie Uniformbestandteile entdeckt wurden. Die systematische Kartierung dieser Funde, die sich anhand formaler und naturwissenschaftlicher Analysen den verschiedenen Kriegsparteien zuordnen lassen, ermöglicht eine objektive Beschreibung des Schlachtverlaufs, ohne auf subjektive zeitgenössische Berichte zurückgreifen zu müssen, die möglicherweise ein ideologisch gefärbtes Bild der Ereignisse zeichnen.
Die Funde sind authentische Zeugnisse einer Schlacht, die nicht nur König Gustav II. Adolf, sondern auch mehrere tausend weitere Menschen das Leben kostete: Etwa 40.000 Mann traten bei Lützen gegeneinander an, die geschätzte Zahl der Gefallenen schwankt zwischen 6.500 und 10.000. Über den Verbleib von deren sterblichen Überresten war bisher wenig bekannt. Die Auswertung archivalischer Quellen kam zu dem Ergebnis, dass die früher vorherrschende These, Gefallene seien in vorhandenen Gräben, Hohlwegen und natürlichen Senken bestattet worden, wohl nicht mehr haltbar ist. Vielmehr wurden an Ort und Stelle auf dem Schlachtfeld eigens rechteckige Gruben von mindestens zwei Ellen Tiefe ausgehoben. Zuständig für die Anlage der Gräber – wie auch für die Versorgung der zurückgebliebenen Verwundeten – war das Amt Lützen, also die örtliche kursächsische Verwaltungsbehörde, die zur Bewältigung ihrer Aufgabe auswärtige Hilfe anfordern musste. Schließlich mussten die Gruben in Handarbeit mit Schaufel, Hacke und Spaten in der Nähe von Straßen und Wegen ausgehoben werden, was in Lützen zudem durch den schlammigen Untergrund erschwert wurde. Da Transporte der Leichname über längere Strecken auch aus Mangel an Pferden und Wagen (diese wurden für den Transport von Verwundeten und Beutegut benötigt) nicht möglich waren, wurden die Gefallenen mehr oder weniger unmittelbar am Ort ihres Todes, nahe dem Zentrum des Schlachtgeschehens bestattet. Meist wurden in einer Grube zwischen zwei und 20, manchmal aber auch wesentlich mehr Gefallene bestattet. So ist von einer anderen Schlacht des Dreißigjährigen Krieges, der Schlacht von Wittstock (4. Oktober 1636), ein Massengrab bekannt, das 125 Skelette enthielt.
Im Herbst 2011 konnten die Archäologen das erste Soldatengrab lokalisieren, das der Schlacht von Lützen zugeordnet werden kann. Es ist auch das erste Massengrab des Dreißigjährigen Krieges, das nach gezielter Suche im Rahmen eines Forschungsprojektes aufgefunden wurde. Um das Grab vom Lützener Schlachtfeld unter Laborbedingungen ausgraben zu können, wurde es im November des vergangenen Jahres im Block geborgen und in das Laborgebäude des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle gebracht. Mit einer Grundfläche von insgesamt 6 m x 7 m und einem Gesamtgewicht von 55 Tonnen stellt es die größte Blockbergung dar, die bisher in Sachsen-Anhalt durchgeführt wurde, und bildete damit auch eine besondere logistische Herausforderung. So musste es für den Transport in das Restaurierungslabor in zwei Blöcken gehoben werden.
Vor zwei Wochen wurde mit der Freilegung des Grabes begonnen. Der Vergleich mit dem Grab von Wittstock lässt erwarten, dass die Toten dicht an dicht sowie in mehreren übereinander angeordneten Lagen bestattet wurden, nachdem man sie geplündert, ihnen Kleidung, Waffen und persönliche Gegenstände abgenommen hatte. Die Archäologen gehen davon aus, dass außer den Skeletten kaum andere Funde ans Licht kommen werden. Die Ausgrabung unter Laborbedingungen ermöglicht es allerdings, das Grab mit den modernsten Methoden zu untersuchen, die heute zur Verfügung stehen. Eine besondere Rolle wird dabei den anthropologischen Methoden zukommen, die Auskunft über Alter, Verwundungen und Todesursachen oder auch Krankheiten geben können. DNA- und Isotopenanalyse können – soweit sich das Material als für diese Analysen geeignet erweist – Aufschluss über die Herkunft der Gefallenen geben, stammten doch die Teilnehmer der Schlacht von Lützen nicht ausschließlich aus Schweden und Deutschland: An der Seite des Schwedenkönigs kämpften auch Finnen (Finnland gehörte bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts zu Schweden) sowie ein schottisches Regiment.
Nach der Freilegung und wissenschaftlichen Untersuchung soll das Massengrab von Lützen im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, kündigte Landesarchäologe Harald Meller am Freitag an. Damit soll gezielt auf eine Seite des Krieges aufmerksam gemacht werden, die bisher oft durch die überlieferungsbedingte Fixiertheit auf Uniformen, Ausrüstungen und Waffen übersehen wird.