Die Geschichte liest sich wie der Plot eines Wissenschaftskrimis. Ein passionierter oberösterreichischer Hobbyhistoriker bittet das Atominstitut der TU Wien um Mithilfe bei der Bestimmung des Alters von Ziegelfragmenten. Die Proben stammen aus der sogenannten Ziegelroith, einer sagenumwobenen Region im Hausruck (OÖ) zwischen den Orten Geboltskirchen und Altenhof. Unabhängige Überlieferungen berichten von einer Befestigungsanlage bzw. einem Vorwerk zum Schloss Gröming, das an jener Stelle bis 1860 gestanden war. Andere Quellen bringen die bei Wurzelausstockungen immer wieder zum Vorschein gelangenden Ziegelbruchstücke mit der Lage an der Hausruck-Überquerungslinie der Römerstraße und römischen Funden in unmittelbarer Umgebung in Zusammenhang.
Was zunächst nach einer Routineaufgabe aussieht, entwickelt sich bald zu einer faszinierenden Herausforderung für die Wissenschaft. "Die ersten Ergebnisse waren regelrecht skurril", berichtet Michael Hajek, Leiter des Bereiches Dosimetrie und Strahleneffekte am Atominstitut. "Wir dachten zunächst, dass die stark verwitterten Proben gar nicht gebrannt seien." Das festgestellte Alter von 4200 bis 6000 Jahren erscheint unglaubwürdig, da in der Jungsteinzeit die Technik des Brennens von Ton zwar bekannt war, jedoch noch nicht für die Herstellung von Ziegeln verwendet wurde. Zudem scheinen die nahe der Oberfläche dem Erdreich entnommenen Proben älter zu sein als jene, die aus tieferen Schichten geborgen wurden. Es kann sich also schwerlich um von Menschenhand gebrannte Ziegel handeln. Professor Max Bichler, ausgebildeter Geologe und Radiochemiker am Atominstitut, bestätigt allerdings, dass die Lehmproben auf entsprechend hohe Temperaturen erhitzt wurden.
Die am Atominstitut verwendeten Datierungsmethoden beruhen auf der Lumineszenzemission von Mineralien wie Quarz und Feldspat, die in natürlicher Tonerde vorkommen. Die Energie der aus der Umgebung und der Probe selbst stammenden ionisierenden Strahlung wird in angeregten, metastabilen Zuständen gespeichert, die durch den Einbau von Fremdatomen ins Kristallgitter bzw. Gitterdefekte entstehen. Bei Erwärmung oder Beleuchtung der Probe mit geeigneter Wellenlänge wird die gespeicherte Energie als Lumineszenzleuchten wieder freigesetzt und kann elektronisch nachgewiesen werden. Derselbe Vorgang läuft beim Brennen von Tonerde ab, wodurch die "archäologische Uhr" auf null gestellt wird. Die im Labor gemessene Lumineszenzintensität ist ein Maß für die von der Probe über archäologische bzw. geologische Zeiträume aufgenommene Strahlendosis bzw. ihr Alter.
Zur Lösung des Rätsels sollen nunmehr weitere ExpertInnen herangezogen werden. ArchäologInnen des Landeskonservatorats für Oberösterreich und Sachverständige des Museums Wels sind ratlos. Eine Begehung der Ziegelroith fördert im wahrsten Sinne des Wortes Interessantes zutage: Fragmente von gebrannter Tonerde in schier unglaublicher Menge und jeder erdenklichen Größe, von winzigen Stücken bis zu gut 50 kg schweren Brocken. Kann es sich dabei um Reste von mit Lehm verstrichenen Palisaden handeln, die man, um sie zu härten, dem Feuer ausgesetzt hatte? Ist die Ziegelroith ein Platz prähistorischer Metallverhüttung? Oder handelt es sich um Überreste niedergebrannter Lang- und Grubenhäuser, die man an einer Stelle zusammengetragen hatte? Dagegen spricht jedoch der Befund, dass die jüngsten Proben aus der größten Tiefe stammen.
Eine Materialanalyse durch GeologInnen der Montanuniversität Leoben und SchlackenexpertInnen der Voest Alpine kommt zu einem verblüffenden Ergebnis und bestätigt zugleich die Wiener Messungen, die überwiegend von Robert Bergmann im Zuge seiner Diplomarbeit durchgeführt wurden. Die so unterschiedlich aussehenden Fragmente haben alle dieselbe Zusammensetzung, ob sie nun wie Ziegel, wie Schlacke oder wie Klinker aussehen, und sind ein Aufschmelzungsprodukt der Tonerde. Wenn die Proben einen deutlich unterschiedlichen Chemismus hätten, könnte man darauf schließen, dass hier etwas erzeugt wurde. Im gegenständlichen Fall erscheint jedoch ein Flözbrand plausibel, nicht zuletzt im Hinblick auf die Braunkohlevorkommen in der Region. Möglicherweise wurde der Brand durch Blitzeinschlag in ein hoch liegendes, von Ton umgebenes Kohleflöz verursacht. Bei ausreichender Sauerstoffzufuhr konnte sich daraus ein Glimmbrand mit Temperaturen bis 1000°C, wenn nicht gar ein Flammbrand (bis 1200°C) entwickeln, sonst wären die Tone nicht aufgeschmolzen worden. Die Theorie eines Kohlebrandes beantwortet viele Fragen. Eine davon betrifft den Altersbereich der analysierten Proben von mehr als 1500 Jahren. Ein Flözbrand kann mehrere Hundert, ja sogar Tausend Jahre brennen. Auch die riesige Menge an gebranntem Ton ist so erklärbar. Vermutlich würde man bei Grabungen noch viel mehr gebranntes Material finden, dort wo sich das rückstandsfrei verbrannte Flöz weiter in den Berg hineingezogen hatte.