Am 8. Oktober 2009 wurden in Herat, Afghanistan, im Beisein des Stellvertretenden Gouverneurs Haji Mir Abdul Khaleq und des Stellvertretenden Kulturministers Zia Afshar zwei vom Auswärtigen Amt finanzierte Kulturprojekte feierlich eingeweiht. Beide Projekte sind das Resultat einer fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen deutschen und afghanischen Institutionen, die 2002 in Kabul (Bagh-e Babur) begann und seit 2004 in Herat weiter geführt wird. Auf deutscher Seite ist das Deutsche Archäologische Institut (DAI) federführend, afghanischer Kooperationspartner ist das Ministerium für Information und Kultur, insbesondere das Institut für Archäologie, das "Department for the Preservation of Historic Monuments" und das Nationalmuseum Kabul.
Die Rekonstruktion einer Toranlage aus timuridischer Zeit markiert den Abschluss der Arbeiten zur Stadtkernforschung in Herat, die unter anderem den Nachweis einer bis in das 7. Jh. v. Chr. zurück reichenden Besiedlung ergeben haben. Der 2007/08 freigelegte Torbau mit Brücke wurde um 1430 während der Blüte der Stadt als timuridische Hauptstadt errichtet. Von besonderer Bedeutung ist der noch im Original erhaltenen Fliesendekor an den Fassaden. Das Tor wurde im 18. Jh. zugesetzt und als Unterbau für einen neuen Turm benutzt. Durch die Rekonstruktion der Anlage, die auch aus statischen Gründen erforderlich war, wurde der monumentale Charakter der nördlichen Zitadelle wieder hergestellt.
Die Fertigstellung und Inbetriebnahme der Restaurierungswerkstatt ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg des Umbaus der Zitadelle von Herat zum Kulturzentrum mit einem Museum, Magazinen, Depots, Büros, einer Bibliothek und Lagerräumen. Im Rahmen der seit Herbst 2008 vom US-State Department finanzierten und vom Agha Khan Trust for Culture implementierten baulichen Sanierung hat die deutsche Seite neben der Fortsetzung der Katalogisierung der Objekte 2008 die Verantwortung für die museologischen Aufgaben übernommen. Dazu gehören insbesondere die Konzeption und Umsetzung einer neuen Dauerausstellung, die Aufstellung der Magazine, der Aufbau einer Restaurierungswerkstatt und ein langfristiges Ausbildungsprogramm für afghanische Restauratoren. Das neue Kulturzentrum soll im Herbst 2010 eröffnet werden.
Arei Antiqua - Das alte Herat
Das Projekt "Areia Antiqua" ist der Erforschung der Kulturgeschichte der Stadt Herat und ihres Umlandes gewidmet. Es umfasst drei Komponenten: die Dokumentation der Fundorte und Denkmale in der Provinz Herat (2004-2006), die Suche nach den Wurzeln der Stadt (2005-2009) und die Neukonzeption des Nationalmuseums Herat (seit 2008).
1. Die Geländebegehungen dienten der Dokumentation archäologischer Fundorte und Denkmale aus vor-islamischer und islamischer Zeit. Diese werden von wachsenden Siedlungen und Raubgrabungen bedroht und zerstört. Die Kartierung von fast 400 Orten ist daher ein wichtiger Beitrag zum Erhalt des Kulturerbes in Afghanistan. Die erhobenen Daten fließen in das nationale Fundortregister ein, welches vom Ministerium für Information und Kultur landesweit angelegt werden soll. Das Projekt zielte auch darauf ab, die afghanischen Archäologen und Architekten mit diesem speziellen Arbeitsgebiet vertraut zu machen. Von wissenschaftlichem Interesse sind Aufschlüsse über eine intensive Besiedlung des Umlandes der Stadt vom 11. bis 13. Jh., da sie die vor-timuridischen Epochen stärker in den Vordergrund rücken.
2. Die Fundortkartierung in der Provinz Herat wurde ab 2005 um ein Projekt zur Erforschung der Stadtgeschichte von Herat anhand archäologischer Quellen erweitert, da die bisherigen Forschungen sich auf die timuridischen Bauten in Herat konzentrierten. Dazu wurden Grabungen und Prospektionen in verschiedenen Stadtgebieten durchgeführt, darunter auch in der Zitadelle Qala-e Ikhtyaruddin. Sie datiert in ihrer jetzigen Form in das 17. Jh., ruht jedoch auf timuridischen Grundmauern und wird bereits in Quellen aus dem 10. und 11. Jh. als imposantes Bauwerk beschrieben. Der Legende nach wurde sie von Alexander dem Großen gegründet. Zu den wichtigsten Ergebnissen des Projekts gehören der erstmalige Nachweis einer Besiedlung in achämenidischer Zeit und eines Vorgängerbaus der Festung in mittelislamischer Zeit sowie die Freilegung einer timuridischen Toranlage aus der Zeit des Neuaufbaus der Festung nach der Zerstörung durch Timur 1389. Dieses Bauwerk mit zwei Türmen, einem kreuzförmigen Kuppelraum, Nebenräumen und Treppenaufgängen zu einem Wehrgang war über eine Brücke zugänglich und schützte den nördlichen Haupteingang zur Zitadelle. Später wurden die beiden Seiten der Türme mit einem Stein- und dann einem Ziegelglacis befestigt. Im 18. Jh. wurde der Eingang zugesetzt und diente als Fundament für einen neuen Turm. Aufgrund der Bedeutung der Anlage und dank kurzfristig vom Auswärtigen Amt bereitgestellter Mittel konnte noch 2008 mit der Rekonstruktion begonnen werden. Sie ist prägend für die Gestaltung der Zitadelle an der Nordseite und nicht nur bauhistorisch, sondern auch statisch von Bedeutung, da sie den Druck der Zitadellenmauer auffängt. Die Toranlage ist eine eindrucksvolle Ergänzung der Festung und stellt den historischen Charakter der Nordseite wieder her.
3. Seit 2005 befindet sich auch das erst 2004 wieder eröffnete Nationalmuseum Herat in der Zitadelle. Es beherbergt ca. 220 Handschriften und Drucke und noch 1100 der ehemals 3000 Objekte umfassenden Sammlung. Sie stammen aus der Zeit vom 3. Jt. v. Chr. bis zum frühen 20. Jh., für die islamische Kunst ist Herat zurzeit der wichtigste Museumsstandort in Afghanistan. Die Ausstellung bietet einen Einblick in eine bisher eher vernachlässigte Zeit und Region, auch umfasst sie neben qualitativ hochwertigen Objekten wie sie bei Ausgrabungen eher selten zutage kommen auch Gebrauchsutensilien, die abseits des Hofes benutzt wurden und ihrerseits kaum den Weg in internationale Ausstellungen und Sammlungen finden.
2008 begann mit Mitteln des Auswärtigen Amtes die Katalogisierung der Objekte und Handschriften. Nach der Vergabe des US Ambassador´s Trust und dem Beginn des Umbaus der Zitadelle durch den Agha Khan Trust for Culture im Herbst wurde das Projekt noch im gleichen Jahr um die Planung einer neuen Ausstellung und die Einrichtung einer Restaurierungswerkstatt, verbunden mit der Ausbildung afghanischer Restauratoren, erweitert.
Nach der kurzfristigen Finanzierungszusage seitens des Auswärtigen Amtes wurde bereits im Winter 2008 die Ausstattung des Labors beschafft, erste Arbeiten begannen im Frühjahr 2009. Nach dem Abschluss der Bauarbeiten wurden die Räume im Juli 2009 bezogen. Im Rahmen des Ausbildungsprogramms erfolgte die Einweisung zweier Restauratoren aus Kabul und zweier Berufsanfänger aus Herat über drei Trainingsphasen hinweg in Praxis und Theorie, 2010/11 sollen drei weitere Ausbildungsabschnitte folgen. Die Ausbildung vor Ort soll durch drei Aufenthalte in Deutschland vertieft werden. Der Umbau der Zitadelle wird im Herbst 2010 abgeschlossen sein, dann wird auch das neue Museum eröffnet. Dieses Projekt wird vom Museum für islamische Kunst, Staatliche Museen zu Berlin, in Zusammenarbeit mit dem DAI und der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin durchgeführt.